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Gabriel
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Beitrag von Gabriel »

Ich überlegte noch, ob ich mir eine von den Light-Kippen nehmen sollte, die unsere Untermieter anscheinend immer auf ihrem kleinen Tischen vor ihrer Haustür rumliegen hatten, da sah ich es: Unsere eigene Wohnungstür stand sperrangelweit offen. Ich flog die Treppen hoch. Welcher Arsch hatte die Tür offengelassen ? Bei näherer Betrachtung sah´s eher so aus, als hätte sich jemand mutwillig Eintritt verschafft, das Holz um den Schloßzylinder war zerkratzt und die Tür stand wirklich soweit auf, wie das Maul eines gähnenden Nilpferdes. Als ich eintrat saß Helga mitten im Flur auf dem Flohmarktperser und hielt eine Les Paul in der Hand, mit der sie spielenderweise auf mich schoß.
" Dfff Pafff, Uhuhuhuhu." Sie grinste diabolisch dazu, während ihr lila Schlabbertop einen ätzenden Panoramablick auf die weißen Alpen feilbot. Wo hatte die Fotze bloß wieder Pappen aufgetrieben ? Keiner der die Auswirkungen auf sie kannte, würde ihr welche verkaufen, die Wohnung war bis auf eine Palette `Felskrone´ frei von Rauschmitteln, vorsorglich.
"Helga verdammt, wer hat die Tür denn wieder aufgelassen ?"
"Scheiße ! Die stand auf als ich kam. Scheiße ! Irgendwelche fremden Leute...Aber ich wollt sie nicht wecken. Sehen irgendwie merkwürdig aus, hihi. Peng, Uhuhuhuhu."
Verdammt. Können die Schmarotzer das von der Straße riechen, wenn irgendwo eine Tür aufsteht ? Irgendwie gibts da keine Skrupel in der Gegend. Ein besetztes Haus ist ja schließlich für jeden da. Fickpisse.

Ich schnappte mir eine abgeschrammelte Akustik als Prügel und bemerkte nebenbei, daß Volker endlich seine Gitarren ausgepackt und ordentlich auf Ständer gestellt hatte. Im Flur stand die alte Gretsch, der Jazzbass, sowie zwei alte Stratocaster, der Vox Amp, jede Menge Kabel, Mikrophone und Musikerkrempel. Scheinbar war alles noch da, an Hehlerei hatten die verfickten Punks scheinbar kein Interesse.

Was war das bloß für ein verfluchtes Obdachlosenheim in dem ich lebte ? Ständig schleppten irgendwelche entfernten Bekannten der Bewohner irgendwelche Freaks an, die sich dann spontan wie zu Hause fühlten und erstmal `n paar Tage blieben. An mir war´s dann immer, die Bevölkerungsrate zu regulieren, was mir später jedesmal gedankt wurde. Aber keiner meiner Mitesser kam jemals auf die Idee, selber einen dieser Ärsche vor die Tür zu setzen. `Ey, daß gibt doch voll den Streß, kommst in keinen Laden mehr rein wennde so intolerant bist. Mann, die kennen sich doch alle untereinander und posaunen rum, daß wir Faschisten wären, oder schlechte Drogen panschen würden oder so, ey !´

Simon war echt voll tolerant, ey. Aber so feige, daß er immer bei seiner Freundin kampierte, wenn die Wohnung vor tolerierten Menschen überzuquillen drohte. Solange bis sein Zimmer wieder parasitenfrei war.


Als erstes nahm ich mir Lisas Zimmer vor. Die kam meist erst Abends nach Hause, fand irgendeinen Arsch in ihrem Bett und ließ sich dann von ihm vögeln. Das hatte zur Konsequenz, daß der Wichser durchschnittlich zwei Wochen bei uns rumhing und den Kühlschrank plünderte, bis er Streit mit Lisa bekam. Großer Knatsch, Lisa verbreitete Pestlaune in der Bude und nach drei, vier Wochen ging die Scheiße dann wieder von vorne los.

Ich öffnete die Tür ein Spalt, sah zwei Deckenhaufen auf den Matrazen, konnte also nicht erkennen wer darunter steckte. Gerade als ich rumbrüllen wollte, drehte sich der eine Haufen um. Es war Lutz, er hatte die Sonnenbrille noch in den Haaren. Falscher Alarm.

Lutz war wahrscheinlich mit Robert - dem anscheinend einzig normalen in der WG - saufen gewesen, hatte sich dann bei uns pennen gelegt. Der andere Berg mußte folglich ein Freund sein, aber sicher war man sich hier ja nie. Ich beschloß, Lutz erstmal schlafen zu lassen und mir diesen weniger dringlichen Fall für später aufzuheben.

In Simons Zimmer lagen zwei vom Typ stinkende Schoreratte. Bingo ! Eine blaublondes Mannsweib mit St.-Pauli Kaputze und Tatoos am Unterschenkel, sowie ein schwarzstoppliger Franzose mit schmierigen langen Haaren und Nietenarmbändern.

Ich watete durch Berge aus Tellern, Essensresten und leeren Felskronedosen zu Simons Anlage, schmiß die ABC Diabolo rein und drehte auf fünf vor zwölf. Die Penner schreckten hoch wie zwei umgedrehte Blitze, ich konnte die Mucke wieder runter drehen.

"Willkommen im Parasitenhotel !" Der Franzose guckte mich an, setzte seinen spitzesten und tödlichsten Blick auf, den seine aschfahlen Augen hergaben. Nicht schlecht, aber da mußte ich jetzt durch. Ich wartete ab, was passieren würde, kam mir mit der Klampfe als Prügel mittlerweile ein wenig blöd vor.

Sie hatten sich schnell vom Herzkasper erholt, die Pennerfrau schabte flüchtig die letzten Krümel aus einem Joghurtbecher.

" Paß auf, wir haben keinen Bock lange Streß zu machen. Wir wollen nur...-"

"Stop. Wir kommen auf keinen Konsenz hier. Entweder ihr geht freiwillig oder mit blauen Flecken." Mir war nicht wohl dabei, aber die Routine hatte in diesem Fall einiges für sich.

"Wer will das denn vollziehen ?" Der Franzose entblöste eine verlassene, vordere Zahnreihe.

"Ich." Nun zog ich gemächlich mein Jacket aus. Das hämische Grinsen blieb er mir schuldig. Ich zog seinen Schlafsack zur Seite. Ein bestialischer Gestank wehte mir entgegen. An seinem Hemd zerrte ich ihn aus dem Bett - "Hé, hé, Pfoten weg, Mann !" und schob ihn mit einigem Schwung in den Flur, wo er fast über die immer noch dämlich grinsende Helga gestolpert wäre.

Seine Schuhe schmiß ich hinterher, das war das Zeichen für seine Schlampe, ebenfalls den Rückzug anzutreten.

Die Haustür fanden sie genauso zielsicher wie beim Reinkommen, mit Schuhen und je einer Aldi-Tüte in der Hand schlichen sie geduckt die Treppe runter. Ich lehnte mich demonstrativ in den Türrahmen. So wenig Probleme hatte es selten gegeben.

Vielleicht waren sie des ewig selben Programms mittlerweile genauso müde wie ich, der Franzose kam mir jedenfalls bekannt vor.

Aber dann folgte doch noch die letzte erhobene Faust des Pöbels, als er sich umdrehte und das mittlerweile standardisierte `Wart nur ab, dich krieg ich noch´ zischte.

Ich knallte die Tür ins Schloß, oder das, was davon noch übrig war. Helga verfluchen hatte eh keinen Sinn, die ballerte weiter wie ein durchgeknalltes Suppenhuhn mit einer Gitarre durch die Gegend.

"Jetzt wollen die wieder rächen, hähä. Sei vorsichtig, öh Obacht haha !" lallte es aus ihr heraus. So viel hatte sie dann also doch noch mitgekriegt. Meine Wut flachte ab, aber nur für kurze Zeit. In der Küche häufte sich der übliche Rest des in der Wohnung verteilten Geschirrs, wenn man welches brauchte, mußte man eben abwaschen. Daß Kakerlaken nur ungerne in Aldis Essigreiniger schwammen, war eine Erkenntnis, der jedes Mal die Ernüchterung folgte, daß sie ja auch nicht durch den Abfluß passten.

Ich war dem Heulen nahe.

Die Spülbürste feuerte ich in die Ecke, ein paar Teller hinterher und ließ die Kakis Kakis sein. Dann ging ich zu Roberts Zimmer, öffnete mit meinem Zweitschlüssel die Zimmertür. Wenigstens einer hatte gelernt und sich doppelt abgesichert, was die meisten dieser verfluchten Penner davon abhielt, in sein persönliches Reich einzudringen. Ich schnappte mir einen Rucksack sowie meinen Walkman und packte schließlich in meinem eigenen Hochsicherheitstrakt Klamotten und ein paar Bücher ein. Dann holte ich die alte Armeeknarre aus der Schublade von Simons Schreibtisch.

Der Franzose würde mir aufwarten. Mindestens alleine, vielleicht hatte er noch ein paar Mitparasiten aufgetrieben, mit denen er mir dann zeigen konnte, wem die Straßen gehörten.

Ich hatte die Schnauze voll von dem Scheiß. Immer die selbe Leier, immer wieder mußte man sich beweisen, sein Territorium verteidigen und reinigen, die Hunde zurück auf die Straße schicken um dann dort das Spiel fortzuführen. Wie im Kindergarten damals, als ich einem Älteren die Schaufel wegnahm um zu sehen was passieren würde. Die ersten zwei Mal bekam ich aufs Maul, beim Dritten schlug ich zurück und hatte von da ab einen neuen Freund.


Der Franzose war alleine, mit seinem Messer. Er saß am Gartentor, lässig gegen den Müllcontainer gelehnt. Warum genau ich ihm in den Fuß schoß, weiß ich nicht mehr, aber irgendwie tat es gut. Er brüllte wie am Spieß, fluchte mir das gesamte Pariser Vorortghettovokabular hinterher und fühlte sich betrogen. Ich hatte die Spielregeln gebrochen. Es war befreiend irgendwie.

Die Knarre warf ich in den Weiher, lief durch den Park zum Bahnhof und fuhr zu meinen Eltern aufs Land.
»Und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.« (Johannes 8, 32)
Gast

Beitrag von Gast »

Gabriel hat geschrieben:Wie im Kindergarten damals, als ich einem Älteren die Schaufel wegnahm um zu sehen was passieren würde. Die ersten zwei Mal bekam ich aufs Maul, beim Dritten schlug ich zurück und hatte von da ab einen neuen Freund.
Diesen Passus bitte umgehend entfernen. Er scheint mir zu gelungen für diesen Strang.

BT
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Belle Tristik
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Beitrag von Belle Tristik »

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pft.
"Verlage brauchen ihre Produkte nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, daß sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen." (E. Herman)
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Gabriel
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Beitrag von Gabriel »

Als ich noch klein war und nach der Tagesschau ins Bett mußte, wollte ich Herbert Wehner sein, wenn ich einst groß wäre.
Meine Oma unterstützte diesen Berufswunsch, denn immer wenn Herr Wehner im Fernsehen auftrat, sagte sie: „Der meckert doch nur...“ und dann, nach einer Pause „ ...und bekommt auch noch Geld dafür.“
Ich war sofort begeistert.
Bis dahin nämlich hatte ich meine Großmutter für den Urquell allen Mißbilligens und Klagens gehalten. In unserer Familie und bis weit über die Grenzen unserer Straße hinaus genoß sie größte Autorität in dieser Hinsicht, denn das, was ihr im Gegensatz zum Herrn Wehner vielleicht an Scharfzüngigkeit und Eloquenz gebrechen mochte, wußte sie durch verächtliches Schnauben, vorwurfsvolles Seufzen und furchteinflößendes Verdrehen ihrer vom grauen Star getrübten Augen zu kompensieren. Ich bewunderte sie über alle Maßen.
Daß es also dennoch jemanden gab, dessen Talent zu Meckern das meiner Großmutter überstieg, beeindruckte mich sehr. Schließlich verdiente der Herr Wehner mit seiner Meckerei viel Geld, ganz in Gegensatz zu meiner Oma.
Ihr sauer verdientes Geld nämlich, das wurde sie nicht müde zu beteuern, drohe der Russe an sich zu nehmen, der in meiner Achtung daraufhin ungemein stieg, stand er doch laut Auskunft meiner Oma in engem Kontakt zum Herrn Wehner.
Außerdem verlange es dem Russen nach ihrem Haus. Das wolle er ihr wegnehmen, sagte sie und schaute mich vorwurfsvoll an.
Ich folgerte, daß ich wohl gewissen Einfluß auf diesen mir unbekannten Russen haben mußte und nahm mir vor, mich bei ihm für meine Großmutter zu verwenden. Wenn es also einstmals soweit wäre, würde meiner Oma ihrer anerkannt schlimmen Beine wegen das Erdgeschoß gelassen, der Russe und Herr Wehner wären im ersten Stock zu behausen, während ich in meinem angestammten Kinderzimmer würde wohnen bleiben.
Da roch es auch nicht so muffig nach Sauerkraut und ich hatte eine Sport-Billy-Tapete.
Ich wollte sehr gern mit dem Russen, Herrn Wehner und meiner Oma in einem Haus wohnen und nahm dafür auch die Exilierung meiner Eltern, die dort keinen Platz mehr finden würden, durchaus billigend in Kauf. Noch mehr, ich sehnte ich sie herbei.

Denn die Eltern torpedierten meine Berufspläne.
Schon am Frühstückstisch verbaten sie sich jegliche Kritik, während meine Oma täglich aufs Schärfste den mangelhaften Zustand der Wurstwaren verurteilte, die sie allerdings später, wenn meine Eltern aus dem Hause waren, stehend am Kühlschrank zu verspeisen pflegte.
Meine Eltern schienen kein Interesse daran zu haben, mich das goldene Handwerk des Nörgelns und Schimpfens erlernen und zum Herbert Wehner ausbilden zu lassen.
Durchaus unverständlich, zumal namentlich mein Vater gewisse Sympathien für Herrn Wehner und dessen Organisation zu verspüren schien, so zumindest lautete der ständige Vorwurf meiner Großmutter. Damals lastete ich das gespannte Verhältnis meiner Oma zum Herrn Wehner seinem augenscheinlichen Geschick zur Schimpfrede an und zieh sie insgeheim kindischen Neides und lächerlich gespreizter Divenhaftigkeit.
Trotzdem schien sie keine ernsthaften Bedenken gegen den wohl nun unmittelbar bevorstehenden Einzug des Russen und des Herrn Wehners in unser bescheidenes Heim zu haben, nur sollte Herr Wehner dort nicht im Weg herum stehen, denn meine Oma äußerte wiederholt die Absicht, ihn sofort an die Wand zu stellen, sollte sie seiner habhaft werden.

Wenn sie doch endlich bei uns einzögen.
Spannende Zeiten würden anbrechen, die Welt stünde mir endlich offen. Jeden Tag würde ich mißbilligen dürfen, bekäme mannhaftes Quengeln gelehrt und meine Oma und Herr Wehner säßen des Abends an meinem Bett, schüttelten die Köpfe und malten mir die Welt in den schwärzesten Farben aus.
Welche Rolle der Russe in unserer heiteren Welt genau spielen würde, war mir noch nicht klar, doch kannte ich ihn aus den apokalyptischen Gesängen meiner Großmama als finsteren und heimtückischen Gesellen, der mit langen kralligen Fingern unschuldigen und hart arbeitenden Menschen das Geld aus dem Beutel raube, ja, nicht einmal deren letztes Hemd verschmähe.
Ähnliches sprachen meine Eltern über meine Großmutter, wenn sie mich schlafend wähnten, so daß ich den Russen meiner Phantasie nach ihrem Bilde formte und anstandslos als den Großvater zu akzeptieren bereit war, den ich nie gehabt hatte. Sein Fehlen wurde im Übrigen auch mit dem Russen erklärt, aber das verstand ich noch nicht, sagte man mir.

Allein die Tatsache, daß der Herr Wehner den ganzen Tag im Bundestag sitzen und eine unüberschaubare Menge Erwachsene ausschimpfen mußte, schreckte mich ab. Ich meckerte lieber im kleinsten Familienkreis, vorzugsweise beim Essen oder im Auto.
Die Aussicht, einstmals vor einer Menge zu stehen und ihnen meine tief empfundene Mißbilligung aussprechen zu dürfen, erschreckte mich ein nicht Geringes. Gleichzeitig fühlte ich tief in meinem Innern, daß genau dies meine Bestimmung auf Erden sein mußte.

Ohnmächtig stand ich vor der großen Aufgabe, verzweifelt und besinnungslos. Wie sollte ich meine Ausbildung gegen den Willen meiner Eltern vorantreiben?

Wann würde Herbert Wehner und der Russe bei uns einziehen?

Mein junger Geist war verwirrt, denn ich suchte damals nach einem Lehrmeister, der mir meine Oma nicht sein konnte. Mittlerweile wurde es mir nämlich fad, ihre Tiraden nachzuäffen, doch hatte ich noch keinen eigenen Stil entwickelt. Ich trat auf der Stelle und verlor die Lust zu Mißbilligen, schließlich war ich erst sechs.

Es kam, wie es kommen mußte.
Ich begann, freundschaftliche Kontakte zu Gleichaltrigen aufzunehmen und betäubte mich in sinnlosem Spiel. Schlimmer noch, ich wurde ein fröhliches und zufriedenes Kind, sogar mein geliebtes Bettnässen vergaß ich völlig.
Zunehmend entfremdete ich mich auch meiner geliebten Großmutter, die mir gleichwohl während dieser schweren Zeit ein leuchtendes Beispiel unumstößlicher Griesgrämigkeit war.

Auf die Hilfe meiner Eltern konnte ich nicht hoffen.
Sie schienen meinen geistigen Verfall gar nicht zu bemerken, in ihrer Blindheit bestärkten sie mich noch in meinem frevelhaften Tun.
Sogar mein Therapeut verstand mich nicht mehr, vielmehr deutete er mein Abrutschen in billige Fröhlichkeit zum Erfolg um.
„Diese Wehner-Obsession bei ihm hat aufgehört.“ raunte er einmal meiner Mutter im Vorzimmer zu und nannte Herrn Wehner „den merkwürdigsten Fetisch, der ihm je bei einem Sechsjährigen untergekommen“ wäre.
Ich war empört, Herr Wehner war kein Fetisch, er war überhaupt kein Tisch, sondern mein größtes Idol, jedenfalls neben diesem mysteriösen Russen und meiner Oma.
Er war der Großmeister des Ausschimpfens, Anblaffens und Anrotzens, der Mann, der gar nix gutfinden mußte, der Mann, der sie alle zur Minna machte, der Mann, den sie Zuchtmeister nannten. Und ich war sein gelehriger Schüler.
Und das zeigte ich dem Therapeuten jetzt mal.

„Hamse überhaupt gedient?“ kiekste ich ihn an.
Diese Wendung hatte ich von dem netten Onkel mit Holzbein geschenkt bekommen, mit dem meine Oma dienstags Eierliköre zu trinken pflegte.
Als er nicht antwortete, herrschte ich ihn an:
„Volksverräter, verdammter.“
Hilfesuchend sah er meine Eltern an und sagte dann so etwas wie:
„Also, hör mal.“
Darauf hatte ich nur gewartet.
„Redense überhaupt mit mir, wissense eigentlich wer ich bin, ´dammt noch mal.“ Auch das war von Onkel Holzbein.
Der Therapeut machte einige beschwichtigende Geräusche, die ich aber überging. „Solche wie sie, die ´ham wir früher...“
Verdammt, ich hatte meinen Text vergessen. Was war das noch mal?
Wie hatte Onkel Holzbein immer gesagt?
Irgendetwas ganz schlimmes war es. Ich stellte mir das Allerschlimmste vor, das es gab...
Oh ja, das war schlimm. Ich setzte meine gefährlichste Stimme auf.
„Solche wie sie, die ham wir früher ... ausgekitzelt.“

Parbleu. Das hatte gesessen.
Entsetzte Stille trat ein. Ich triumphierte.

Doch plötzlich begann der Therapeut an zu glucksen, mühsam unterdrückte er ein lautes Lachen, mein Vater fing an zu grinsen, prustete ein bißchen durch die Nase und als meine Mutter ihm zischend in die Seite stieß, war es ganz aus. Er explodierte vor Lachen und hielt sich den Bauch. Sogar meine Mutter lachte hinter vorgehaltener Hand.
Ich mußte wohl etwas Komisches gesagt haben. Ich hatte einen Witz gemacht und war am Boden zerstört. Ich war ein Witzbold, ein Spaßmacher, ein Possenreißer, die Leute lachten über mich.
Wenn meine Großmutter mich so sehen könnte, sie wäre bitter enttäuscht.
Der Therapeut erkühnte sich sogar, mir schmunzelnd in den Bauch zu stupsen und mir lachend zu bedeuten, ich sein schon „eine Marke.“ Ich wollte aber keine Marke sein, sondern Herbert Wehner.

Tiefe Depressionen überkamen mich und streckten mich drei Wochen aufs Krankenlager. Ich begann, mich zu hassen. Des morgens spie ich auf mein Spiegelbild, streckte mir die Zunge heraus und zischte mir ein tief verletztes „Witzbold !“ entgegen.
Nur die aufopferungsvolle Pflege meiner Großmutter rettete mich.
Mit engelsgleicher Geduld harrte sie an meinem Bett aus und führte wortreich Klage wider die Ungerechtigkeit der Welt und die meiner Eltern. An dieser Labsal genas ich.
Als der Sommer zu Ende ging und der Regen endlich wieder einsetzte, war ich fast schon wieder so übellaunig wie zuvor.

Ich fühlte mich berufen, mein zweifellos vorhandenes Talent zur Übellaunigkeit als größten Schatz zu betrachten und dieses kostbare Gut durch tägliche Übung und Pflege zur Vervollkommnung zu bringen.
So ging ich schließlich bei meiner Großmutter in die Lehre.

Jeden Sonntag setzten wir uns auf eine Bank im Park und mißbilligten.
Meine Oma auf ihren Gehstock gestützt, den Oberkörper leicht vornübergebeugt, pendelte ihr Kopf in trügerischer Ruhe eine Handbreit über den gichtigen Händen, die den Knauf des Stockes entschlossen umfaßten. Ihre Augen waren zu Schlitzen verengt, die Mundwinkel weit nach unten gezogen, das ohnehin fliehende Kinn versteckte sich in den fahlen Hautlappen ihres Halses.
Ich daneben, die Fäuste auf die babyspeckigen Hüften gesteckt, den Kopf nach vorne gebeugt und zwischen die Schultern gezogen, die Unterlippe in trotzigem Schwung nach vorne gestülpt.
Eine mißmutige Alte und ein dickes, trotziges Kind in Lauerstellung. Die Bänke neben uns blieben sogar bei angenehmster Witterung leer.
Wir ließen unsere Augen durch den Park schweifen, notierten in Gedanken mögliche Störenfriede und weideten uns an dem kolossalen Ausmaß verschiedenster Ärgernisse. Da gab es Jugendliche auf Mofas, obwohl deren Gebrauch im Park untersagt war, da gab es fußballspielende Kinder, deren Ball uns bei vorteilhaftem Wind sogar treffen konnte, da gab es wiederum solche Kinder, die unter den Augen ihrer Eltern den Sand über die Einfriedung des Sandkastens warfen und sich dessen laustark freuten.
Aber auch unbotmäßige Erwachsene gab es, solche, die sich umarmten und küßten und andere, die sogar grillten. Unter diesen waren nicht wenige fremder Zunge, die gar nicht zu grillen gebraucht hätten, war doch ihre bloße Anwesenheit und die Unverständlichkeit ihrer Sprachen Ärgernis genug.
Außerdem gab es Hunde und das Wetter.

Wir begannen meist mit dem Wetter:
„Gottverdammte Hitze.“ ächzte meine Großmutter und tupfte ihre Stirn mit einem Taschentuch ab, das sie jeden Morgen mit 4711 zu beträufeln pflegte.
„Ich hab so´n Durst.“ konterte ich jammernd.
„Gibt ja kein Kiosk mehr hier, alles zugemacht, weil ´se ja nichts mehr kaufen.“
„Ich will aber´n Eis.“ insistierte ich, doch meine Oma hörte schon gar nicht mehr zu, sondern wandte sich wieder ihrem Lieblingsthema zu.
„... weil se nämlich kein Geld mehr haben, die Leute.“
Sie schüttelte den Kopf. „Alles geht´n Bach runter.“
Das war das zentrale Dogma meiner Großmutter, „Alles geht´n Bach runter.“, das war ihr wollüstig hingehauchtes Credo. Meine Oma, soviel verstand ich, war das letzte Bollwerk einer dem Untergang geweihten Zivilisation. Nur der Russe und Herr Wehner konnten uns noch helfen, sollten sie sich denn entscheiden, endlich zu uns zu ziehen.
„Hach“ machte sie dann und sah mich an. „Du armes Kind, ganz verschwitzt.“ Sie riß ein Erfrischungstuch auf und rieb mein Gesicht ab, bis mir die Wangen brannten.
„Is gar nicht gut für dich, die Sonne.“
Ich heulte, weil ich Erfrischungstuch in den Augen hatte.
„Geh mal spielen.“ befahl die Oma.
Ich wußte, was ich zu tun hatte. Folgsam stellte ich mich im Sandkasten auf und starrte mißmutig ein mir unbekanntes Kind an, das mittels eines Eimerchens Sand von der linken in die rechte Ecke bewegte, während es sich von der rauchenden Mutter milde betrachten ließ.
„Hallo.“ sagte das Kind und blickte zu mir auf.
Ich erwiderte nichts, ließ mich stattdessen rückwärts mitten in den mühsam aufgeschütteten Sandhaufen fallen.
Das fremde Kind glotzte verdattert und wandte sich augenblicklich seiner Mutter zu, die nach einer pädagogisch vetretbaren Zurechtweisung suchte. „Der da hat mich geschubst.“ schrie ich dazwischen und gab meiner Großmutter damit das ersehnte Startsignal.
Die beugte sich vor, reckte anklagend ihren Gehstock gen Himmel und fing an zu keifen.
„Eine Unverschämtheit“, brüllte sie, „sowas hätt´s früher nicht gegeben.“
In ihrer Schimpfrede kritisierte sie den Verfall der Ordnung unter besonderer Berücksichtigung von Ehe und Familie und wagte einen ungestümen Ausfall wider den beklagenswerten Zustand zeitgenössischer Pädagogik, ein Thema, das meine ungeteilte Aufmerksamkeit fand. Gewissenhaft merkte ich mir das Gekeife, schließlich sollte ich selbst in einigen Wochen eingeschult werden und wollte der neuen Umgebung mit fundierter Mißbilligung begegnen.

Schon nach wenigen Minuten hatte die feindliche Mutter begriffen, daß ihre Einlassungen zum Fall weder von mir noch von meiner Oma angehört wurden, und wenn auch das Kind mittlerweile angefangen hatte zu heulen, so konnte ich doch lauter und wehklagender schreien als jeder andere. Schließlich bekam ich ein Eis dafür.
Die Gegner gaben auf.
„Fabian.“ sagte die Mutter schmallippig, „Wir gehen.“ Dann packte sie unsanft ihr Kind und schleifte es von dannen. Fabian wurde regelrecht überrumpelt, zwar versuchte er noch, nach seinem roten Eimerchen zu greifen, doch riß ihn die Hand seiner Mutter zurück und so sehr er auch zerrte, so wenig gab ihn seine Mutter frei.
Ich lächelte Fabian freundlich nach und winkte.
Es war schließlich nichts Persönliches.
»Und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.« (Johannes 8, 32)
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General Amnestie
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Beitrag von General Amnestie »

Schöne Geschichten sind das.
Weitere kann man bei http://www.hanebuechlein.de/literatur/r ... /index.php nachlesen.
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Versonnen blickte Horst Köhler über das Brückengeländer in den Sonnenuntergang über der Spree - und ärgerte sich sofort, daß er mit 'versonnen' und 'Sonnenuntergang' zweimal den Wortstamm 'Sonne' gedacht hatte, ihm, zefix, kein weniger redundantes Poetik-Versprengsel durchs Hirnkastl gerauscht war. Auch den Dauerbrenner 'es war eine schwüle Sommernacht' durch den Dauer-Kalauer 'es war eine schwule Sommernacht' zu ersetzen, besaß er schon nicht mehr die Kraft - wie immer, wenn er auf Meskalin war. Unter dem Einfluß des Psycho-Kaktus erinnerte er sich seiner Kindheit in Skierbieszów, wo er ähnliche Sommer, wiewohl schöner, durchlebt hatte. Wie er da mit den Geschwistern Moped ums Haus getollt war, während ihnen der alte Onkel Monströsius auf der Arschgeige aufspielte. Ach, waren das Zeiten. Und was waren das j e t z t für Zeiten! O tempora, o mores - o Zeiten, o Neger! Den Bundestag sollte er auflösen! Er fühlte die tonnenschwere Verantwortung auf sich ruhen. Sein Leiden war nur noch mit dem des Menschensohns selbst zu vergleichen! Auflösen, den Bundestag. Aber ein Amt wie das des Bundespräsidenten brachte Rechte und Pflichten, und auch unangenehme mit sich. Schweren Herzens also nahm er seinen mit Schwefelsäure gefüllten SuperSoaker und stieß mit einem beherzten Tritt die Tür...
Ich bin gut informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material.
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DalaiRama
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Beitrag von DalaiRama »

Und als er den siebten Teil vollbracht hatte, ward auf einmal Licht..
Er wusste gar nicht , das hier Licht war und war also sehr froh darüber.
Das Licht war sehr angenehm. Es war, nun, es war, irgendwie PULSIEREND.
Und blau. Ja, es drehte sich. Wie ein Universum.
Laut sprach er : "Ich bin GÖTTLICH!!" und das Flammenwesen in grün, das aus diesem Universum herausgeschwebt kam, sagte : "Und ich bin Polizeiobermeister Jürgens. Zeigen Sie mal Ihre Papiere.."
Er öffnete seine Brieftasche und erbrach sich, als ein gewaltiges Seebeben den Gustav-Stresemann-Ring erfasste. Instinktiv aktivierte er die Scheibenwischer...........
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

DISCLAIMER

Ich beschwöre hiermit bei allem, was mir heilig ist, daß ich meinen Köhler-Romananfang VOR Kenntisnahme der SuperLupo-Homepage und dem dortigen Auflösungs-Säure-Witz vom 15.06...

Ach Mist. Unverbrauchte Pointen schicken Sie bitte an http://www.superlupo-magazin.de/privmsg ... post&u=876, ich bastele dann einen 'lustigen' Romananfang daraus.
Ich bin gut informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material.
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Larifari
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Beitrag von Larifari »

Pablo Plauz bereute es bereits, Herrn Meiers Einladung gefolgt zu sein, bei einem gemeinsamen Abendessen die Weiterentwicklung der Produktpalette von Plauz’ Kosmetikkonzern zu besprechen. Plauz ahnte schon, daß ihn die Anwesenheit von Herrn Meiers Freundin derart nervös machen würde, daß er sich gegen seinen eloquenten Mitarbeiter einmal mehr nicht durchsetzen können würde. Für seine Firma war seine Führungsschwäche nicht ungefährlich, denn die bei der letzten derartigen Zusammenkunft von Herrn Meier ins Gespräch gebrachten Neuentwicklungen verkauften sich nicht besonders gut; weder der elektrische Lippenstift noch der Karmahobel konnten bisher in nennenswerten Stückzahlen abgesetzt werden, und auch der Verkauf des Pickelspenders war nach anfänglichen Erfolgen bald eingebrochen, woran auch die Einführung einer umweltfreundlichen Nachfüllpackung wenig ändern konnte.

Pablo Plauz’ Nervosität wird verständlich, wenn man weiß, daß Herr Meier einen recht bizarren Geschmack hatte, was die Wahl seiner Sexualpartnerinnen anging. Seine letzte Frau war beispielsweise eine viel zu intellektuelle Fleischwurst, die Plauz ständig in Diskussionen über Gramscis Zivilgesellschaftsbegriff zu verwickeln versuchte. Sie fiel allerdings vor einiger Zeit einem bedauerlichen Küchenunfall zum Opfer. Meiers momentane Freundin war hingegen eine ziemlich alberne Gewürzgurke, die ihm schon beim letzten Treffen vor allem durch permanentes Gekicher aufgefallen war. Plauz wußte also mit Herrn Meiers Damenbegleitung nicht umzugehen, besonders aber hatte er Angst vor peinlichen Szenen mit dem Restaurantpersonal, das Herrn Meier immer wieder irrtümlicherweise darauf hinwies, daß von den Gästen mitgebrachte Speisen unerwünscht seien, was bei Meiers Frauen jedesmal zu theatralischen Tränen- und Wutausbrüchen führte.

Schon lange hatte sich Plauz vorgenommen, Herrn Meier vor die Wahl zu stellen, sich entweder einen anderen Frauentyp oder aber einen neuen Arbeitsplatz zu suchen, aber für ernsthafte Drohungen war Pablo Plauz ein viel zu netter Chef.
Als sie die Sparkassen privatisierten, habe ich geschwiegen, denn ich war ja keine Sparkasse.
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Mit einer frechen Mischung aus "Illuminati", "Harry Potter" und "Herr der Ringe" müßte man im neuen Jahr die Bestsellerlisten stürmen können.
Es war eine schwüle Sommernacht, als Inspektor Froidmanteau die letzten Meter zum Dogenpalast zurücklegte. Müßig lutschte er an dem Schleckeis, das ihm sein Verbindungsmann, ein gedungener Tagedieb, zugesteckt hatte. Rot ging die Sonne hinter dem Dogenpalast unter, die Kuppel in ein unirdisch-irisierendes, ja irritierendes Licht tauchend. Nachdenklich mümmelte er den letzen Rest Eistüte in sich hinein, während er mit sanften Tritten die minderjährigen Gigolos, die hier überall herumlungerten, in alle Winde zerstreute - und gedachte dabei doch wehmütig der Zeit, als er, ein frischgebackener Illuminati-Jäger, von Harvard nach Tripoli gekommen war.

Ein nur scheinbar unabsichtlicher Butterbrotfleck auf einem Manuskript Da Vincis hatte ihn damals auf die richtige Spur gebracht: bildete man den Mittelwert seines Durchmessers und muliplizerte man das Ergebnis mit der Länge des Munds der Mona Lisa in Zentimetern, war DAS die Hausnummer in der Pariser Rue de Bouillabaise, hinter der man den Eingang in die geheimen Minen von Dascht'Ilaili finden konnte, wo die finsteren Schmurkse lebten... Auf der Illuminatijäger-Schule hatte man ihm den richtigen Umgang mit diesen grauenhaften Wesen, pervertierten Abkommen der edelblutigen und blondgelockten Elben, präzise erklärt: wie damals, vor dem Zeitalter der Menschen, mußten sie einer nach dem anderen in die Öfen des Schicksalsbergs geworfen werden, nachdem man den eigenen Körper zuvor mit Phönixtränen geläutert hatte...
Ich bin gut informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material.
Tischlampe
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Beitrag von Tischlampe »

33 333 + 300.Post. Eine Erklärung? Nö.
"Das närrische Treiben überall muss doch einmal ein Ende haben - und zwar ganz radikal."
-Friedrich Schorlemmer
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Erdgeruch
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Beitrag von Erdgeruch »

Da stand ich nun und war klüger als zuvor.
Es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen, man muss auch unfähig sein, diese auszudrücken.
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Dr. Dralle
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Beitrag von Dr. Dralle »

Tischlampe hat geschrieben:33 333 + 300.Post. Eine Erklärung? Nö.
haben sie jetzt die ganze zeit gewartet, das der 33333 kommt, bevor sie ihren 300sten machen? wenn ja, dann "hut ab"! ansonsten "herzlichen glückwunsch" und "prost"!
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Erdgeruch
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Beitrag von Erdgeruch »

Kunde: "Guten Tag, ich bräuchte eine Kaffeemaschine."
Verkäufer: "Ah ja, hier haben wir das neueste Modell. Mit eingebauter Bohnenmühle, Direktanschluß an den Wasserhahn, automatischer Kaffeevorratsverwaltung, voll programmierbar."
Kunde: "Ah ja, klingt interessant. Aber ich habe gehört, daß einige der neueren Kaffeemaschinen nicht gerade leicht zu bedienen seien.."
Verkäufer: "Aber nein, die Bedienung ist ganz einfach. Sehen Sie, sie haben hier nur einen Ein/Aus-Schalter, vier frei definierbare Programmknöpfe und eine RS-232."
Kunde: "Eine was?"
Verkäufer: "Eine RS-232. Da können Sie Ihren Computer hinstecken."
Kunde: "Äh, soll das heißen, ich brauche meinen Computer, um Kaffee zu machen?"
Verkäufer: "Aber nein, nur zur Konfiguration oder zum Firmware-Update. Natürlich können Sie die Kaffeemaschine auch vollständig per Computer steuern, wenn Sie wollen, aber normalerweise schalten Sie einfach die Maschine an und wählen eines der Programme mit den Knöpfen aus."
Kunde: "Aha, also wenn ich Knopf 1 drücke, bekomme ich eine Tasse, mit Knopf 2 zwei Tassen usw., sehe ich das richtig?"
Verkäufer: "Das können Sie so einstellen, wenn Sie wollen. Sie können natürlich genausogut einstellen, daß Knopf 1 eine Tasse starken Kaffee, Knopf 2 eine Tasse nicht ganz so starken Kaffee, und Knopf 3 nur heißes Wasser liefert, wenn Sie das wollen."
Kunde: "Heißes Wasser?"
Verkäufer: "Ja, ist ganz praktisch, wenn Sie sich Tee machen wollen."
Kunde: "Nun gut, aber wie sage ich der Kaffeemaschine nun, was der Knopf machen soll."
Verkäufer: "Das ist eigentlich ganz einfach: Sie schließen Ihren Rechner an die RS-232 an ..."
Kunde: "Äh, wie mache ich das?"
Verkäufer: "Nun, sie nehmen ein serielles Null-Modem-Kabel ..."
Kunde: "Ein was?"
Verkäufer: "Ein Null-Modem-Kabel. Gibt's in der Computerabteilung.."
Kunde: "Nun gut, und wo stecke ich das am Computer hin?"
Verkäufer: "Natürlich an die RS-232, das ist da, wo Sie Ihr Modem anstecken."
Kunde: "Ich habe kein Modem."
Verkäufer: "Prima, dann müßte Ihre RS-232 ja frei sein."
Kunde: "Ich weiß gar nicht, ob ich so was überhaupt am Computer habe."
Verkäufer: "Wenn nicht, können sie auch einen Adapter RS-232 nach USB bekommen, sofern Ihr Betriebssystem einen passenden Treiber hat."
Kunde: "Mein was?"
Verkäufer: "Ihr Betriebssystem. Also das, was startet, wenn Sie den Rechner anschalten."
Kunde: "Sie meinen die Texte, die da über den Bildschirm laufen?"
Verkäufer: "Nein, das ist das BIOS. Das Betriebssystem ist das, was danach kommt, also zum Beispiel Linux, ..."
Kunde: "Also, damit kenne ich mich nicht aus, brauche ich das?"
Verkäufer: "Aber nein, jedes Betriebssystem geht gleich gut, sogar Windows."
Kunde: "Ach so, Windows, warum sagen sie das nicht gleich, ja, das hab ich."
Verkäufer: "Damit gehts wie gesagt auch."
Kunde: "Aber wie mache ich es denn nun?"
Verkäufer: "Nun, nachdem sie die Kaffeemaschine mit dem Rechner verbunden und angeschaltet und dann den Rechner hochgefahren haben, ..."
Kunde: "Den Rechner was habe?"
Verkäufer: "Angeschaltet und gewartet, bis er nichts mehr macht."
Kunde: "Ich muß auf einen Bluescreen warten?"
Verkäufer: "Äh, nein, also Sie warten solange, bis Sie Programme starten können."
Kunde: "Ach so."
Verkäufer: "Ja, und dann starten Sie ein Terminalprogramm ..."
Kunde: "Ein was?"
Verkäufer: "Ein Terminalprogramm. Fragen Sie doch einfach nachher in der Computerabteilung."
Kunde: "Nun gut, und was mache ich damit?"
Verkäufer: "Sie greifen damit auf die RS-232 zu, an der die Kaffeemaschine sitzt."
Kunde: "Äh, und wie mache ich das?"
Verkäufer: "Das hängt vom Terminalprogramm ab. Jedenfalls, die Kaffeemaschine sendet einen Prompt ..."
Kunde: "Einen was?"
Verkäufer: "Einen Prompt. Das ist eine Zeichenkette, die Ihnen sagt, daß die Kaffeemaschine Ihre Befehle erwartet."
Kunde: "Meine Befehle? Ist das eine Militär-Maschine, oder was?
Verkäufer: "Nun ja, sie wollen, daß die Kaffeemaschine was macht, und da müssen Sie ihr ja sagen, was sie machen soll, und das nennt man Befehl."
Kunde: "Nun ja, wenn Sie meinen. Und wenn dieser Prompt dann kommt, dann klicke ich drauf?"
Verkäufer: "Nein, dann tippen Sie Ihre Befehle ein."
Kunde: "Tippen?"
Verkäufer: "Ja, ist viel flexibler. Stellen Sie Sich vor, sie müßten z.B. im Laden erst auf ein irgendwo aufgehängtes Fragezeichen zeigen, und dann auf ein Gerät, um über das Gerät etwas zu erfahren, und ..."
Kunde: "Ist ja schon gut, also wenn ich den Prompt sehe, dann tippe ich ein: "Wenn ich den Knopf 1 drücke, mach mir eine Tasse starken Kaffee", richtig?"
Verkäufer: "Nun ja, nicht ganz. Um die Konfiguration zu ändern, müssen Sie die .coffeerc ändern."
Kunde: "Die was?"
Verkäufer: "Die .coffeerc. Das ist eine Datei, in der die Konfiguration gespeichert wird."
Kunde: "Und wenn ich die öffne, dann kann ich da alles Einstellen?"
Verkäufer: "Genau."
Kunde: "Wird die nötige Software auch mitgeliefert?"
Verkäufer: "Ein vi ist in der Kaffeemaschine fest installiert."
Kunde: "Was ist bitte ein vi?"
Verkäufer: "vi ist ein Editor, mit dem Sie die .coffeerc bearbeiten können."
Kunde: "Was ist jetzt schon wieder ein Editor?"
Verkäufer: "Nun, ein Programm zum Ändern von Textdateien."
Kunde: "Sie meinen sowas wie Word?"
Verkäufer: "Nun ja, fast. Nur eben für reine Textdateien ..."
Kunde: "Mit Word bearbeite ich doch auch Texte."
Verkäufer: "Ja, aber eine Kaffeemaschine kann mit Inhaltsverzeichnissen, Kursivschrift und eingebundenen Bildern nichts anfangen, und entsprechend gibt es sowas nicht in reinen Textdateien."
Kunde: "Also, wenn ich auf diese .coffeerc doppelklicke, dann öffnet sich der vi ..."
Verkäufer: "Nein, sie müssen eintippen: vi .coffeerc, und dann Enter drücken."
Kunde: "Warum so kompliziert?"
Verkäufer: "Also, ich halte es nicht für kompliziert."
Kunde: "Nun ja, also ich starte dann diesen vi und schreibe dann rein: "Wenn ich den Knopf 1 drücke, mach mir eine Tasse starken Kaffee"."
Verkäufer: "So ungefähr. Sie müssen natürlich erst den vi in den Insert-Modus schalten ..."
Kunde: "In den was?"
Verkäufer: "In den Modus, in dem sie neuen Text einfügen können."
Kunde: "Äh, aber dann kann ich lostippen?"
Verkäufer: "Ja. Sie müssen sich natürlich an die Syntax für die Konfigurationsdatei halten."
Kunde: ""
Verkäufer: "Nun ja, die Kaffeemaschine versteht es nicht, wenn Sie einfach deutsche Sätze eintippen."
Kunde: "Sie meinen, ich muß auf Englisch tippen?"
Verkäufer: "Nein, das geht auch nicht ..."
Kunde: "Also, japanisch kann ich leider nicht."
Verkäufer: "Brauchen Sie auch nicht. Es handelt sich um eine spezielle Kaffeemaschinenkonfigurationssprache."
Kunde: "Äh, und die muß ich dann erst lernen?"
Verkäufer: "Sie ist nicht kompliziert, schließlich ist es ja nur eine Kaffeemaschine. Im Verzeichnis doc ist außerdem standardmäßig ein Howto installiert ..."
Kunde: "Nun ja, ich glaube, ich versuche es doch mit einer anderen Maschine ... was ist mit der dort hinten?"
Verkäufer: "Die ist noch nicht mal programmierbar."
Kunde: "Prima, ich glaube, die nehme ich."


Und die Moral von der Geschichte bis hier hin: Hätte die Kaffeemaschine eine tolle bunte Windows-Oberfläche zum Klicken statt der kryptischen textbasierten Linuxoberfläche, gäbs einen zufriedenen Kunden mehr. Vielleicht sollte einfach auch jemand endlich sterben. Bitte klicken sie auf das nächste Fenster.
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General Amnestie
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Beitrag von General Amnestie »

Ach, der Herr Erdgeruch. Copy&pasted uns wieder eine gute Geschichte rein. Warum geben Sie eigentlich nie eine Quelle an? So muss man ja fast denken, Sie waeren der Autor der Geschichte, was eine ueberraschende Wendung darstellte.
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