Neues von der Offenbacher Anthologie

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Weltalltag-Man
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Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von Weltalltag-Man »

Torben Willié

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Der Nille zur Nacht


Wann hast du schon zuletzt
den Kühlschrank abgetaut?
Ich? Bin immer emsig, immer lauernd.
Welch mannigfaltige Wichsvorlagen
flattern per Flatrate auf den Schreibtisch,
wollen abgearbeitet werden.
Und hinter der Maske ihrer Schönheit
lauert der Tod.

Trübes Wurstwasser am Morgen,
berichtest vom Verlust
der All-American-Hot Dogs zum Mittags-
tischlein. Deck dich,
alte Tümpeldirne,
doch gefälligst selbst!!
(Den SUV fährst du jedenfalls
die Woche nicht mehr)


Bei Torben Willié klingt erneut die taufrische Schule des radikalen Kitsches an, die auf die siamesische Verwandtschaft der 2010er mit dem Barock verweist. Deutete schon vor Jahren der verschnörkelte Weiberarsch auf diese Entwicklung zur neuen Hegemonie materieller Entgleisungen hin, ist es nun die Allgegenwärtigkeit der mit Kitsch besudelten Networkprofile und des gesamtgesellschaftlichen Gangbangs als große Koalition des Kleinbürgers, die sich in tausend Spiegeln und Tränen reflektiert in den durchaus derb komponierten Vignetten Torben Williés.
Atze Schröder
Weltalltag-Man
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von Weltalltag-Man »

Ned Anderson

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Americana #213

........Bagel
........Bagel
........Bagel
[ˈdʒiːzəs] und drei
........Nägel


Dass heutzutage jeder dahergelaufene Lump mit antiklerikalen "Scherzen" dank medialer Hetzpresse im Rekordtempo kurzfristig(!) den Künstlerolymp erklimmen darf, ist seit Nervbacke Jonathan Meese wohl kein Geheimtip mehr. Jetzt also auch noch Ned Anderson aus Salt Lake City, Utah - vermutlich ein mormonischer Renegat, der hier mit plumpen Kalligrammen auf den schnellen Dollar hofft. Naja, mir soll's recht sein.
Rob Zombie
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FinnCrisp
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von FinnCrisp »

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Alle Kinder (Auszug)

Alle Kinder amüsieren sich beim Faschingsfest, außer Betty, die stanzt Konfetti.
Alle Kinder tragen Seitenscheitel, außer Ronny, der hat 'nen Pony.
Alle Kinder atmen tief ein, außer Lars, der hat SARS.
Alle Kinder betreiben Wintersport, außer Bob, der ist der Bob.
Alle Kinder efreuen sich am Sex, außer Elfriede, die ist frigide.
Alle Kinder sind stark behaart, außer Max, der benutzt Wachs.
Alle Kinder haben normale Namen, außer Tankred-Olk.
Alle Kinder bleiben unvereidigt, außer Sören, der muß schwören.
Alle Kinder sind da, außer Jack, der ist weg.
Alle Kinder fahren mit der Kutsche, außer Nadine, die muß zieh'n.

Es bedarf nicht immer eines Maikäfernestes im Lehrerbett oder einer Morddrohung auf der Facebook-Pinnwand um zu erkennen, daß Kinder grausam sind. Auf schmerzliche Weise erfahren mußte dies der 9jährige Peer Fettpo, der wegen seines Namens über Monate hinweg von seinen MitschülerInnen der Benjamin-Blümchen-Grundschule in Gifhorn gehänselt wurde. "Alle Kinder laufen Schlittschuh / außer Peer, der ist zu schwer", hörte er Tag für Tag aus den Mündern der Unmündigen. Als der bösartige Spruch eines Morgens in großen gelben Kreidelettern auf der Schiefertafel prangte, riß Peer der Geduldsfaden. Da sein Vater den heimischen Waffenschrank jedoch gut abgeschlossen hatte, griff der Junge zur Macht des Wortes und schlug mit dem Füllfederhalter zurück. Über jeden einzelnen Schüler, jede einzelne Schülerin verfaßte er einen den jeweiligen Namen aufs Korn nehmenden Reim. Selbst exotische Vornamen verstand er aufs trefflichste einzuarbeiten (Beispiel: "Alle Kinder machen eine Autopsie / außer Trish, die liegt auf'm Tisch."). Innerhalb einer Nacht entstand so eine Sammlung von Zweizeilern - streng in der Form, gewitzt und treffsicher im Inhalt - die demnächst als dreiseitiges Heftchen bei Luchterhand aufgelegt wird, Titel: "Alle Kinder der Klasse 3b sind doff! [sic]" Eine Frage stellt sich allerdings: Warum bleibt eine einzelne Schülerin in dem Peer'schen Gedichtsammelsurium unerwähnt? Handelt es sich um seine heimliche Angebetete? Oder ist "Silvia" einfach nur beschissen schwer auf irgendwas zu reimen?
Carmen Thomas
I drove downtown, scanning the alleys until I saw a rail-thin Mexican kid standing by a dumpster wearing a St. Louis Rams jacket. The kid was wearing the jacket, not the dumpster.
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Axel G.
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von Axel G. »

Alle Kinder benutzen 'nen Kuli, außer Silvia, die nimmt 'nen Füllfeder(halter)!
"Diese Zustände werden wir nicht weiter hinnehmen - gegen diesen Haufen kann man sich ja kaum mehr auf der Straße blicken lassen!"
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TalkingSeal
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von TalkingSeal »

Alle Mädchen sind noch jungfrau - außer Silvia, die ist als Milf da.
(Bei den Backfischen handelt es sich um eine Gruppe von 2 mal kleben gebliebener Realschul-Bitches mit einem Alter von jeweils über 18 Jahren!)

Alle Kinder verstecken sich vor der Amokläuferin - außer Silvia, die schreit "I'll kill ya!"

...oder auch "Seid still da!" resp. "Putz die Brill' da" zur Not auch "Ich spiel jetzt billard"

naja

schnell ab
"Alle Kinder der Klasse 3b sind doff! [sic]"
Peer Fettpo
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MMC
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von MMC »

Diese Herausforderung schreit nach einem Fachmann; aber wo ist Prof Adorno, wenn man ihn denn mal braucht!

Daher erst einmal:

Alle Kinder gehen zum Friedhof - ausser Silvia, die ist immer da.
Weltalltag-Man
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von Weltalltag-Man »

Tut mir leid, meine Herren, wenn ich ihr grobschlächtiges Gerumpel mit diesem Lösungsvorschlag in die Schranken weisen muss:

Im Restaurant halten sich alle Kindlein vornehm zurück, außer Sylvia, die erstickt am Kaviar.
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FinnCrisp
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Re: Neues von der Offenbacher Anthologie

Beitrag von FinnCrisp »

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Wilfred Maier - Stadtszene

Am Springbrunnen sitzt eine Gurke Teenies, trinkt Brief, Bier
Omas und Opas und Omas kaufen am und ein zu
Auf der Fußgängerzange steht ein Bettler und streicht Leierkasten
Hochbetrieb auch am Kirflu, bangert ransch!
Motorradfahrer mit Schiffschrauben Hemdknopf Schneewittchen
Wer will nicht mit ins Pfandhaus, am Neumond acht mal klopfen, Lar?

Als die Brüder Alfred und Wilfred im Juli 1998 ihren gemeinsamen Abenteuerurlaub in Vanuatu antreten, ahnen sie noch nicht, daß sich damit ihrer beide Leben grundsätzlich verändern werden. Fasziniert von den rituellen Spielen der indigenen Bevölkerung können sie einen Stammesoberen überreden, bei dem sogenannten Naghol mitzumachen, einer extremen Vorform des Bungeespringens, bei welcher der Springer - mit den Füßen an eine Liane gebunden - mit dem Kopf auf der Erde aufschlagen muß. Alfred springt zuerst, rollt sich elegant ab, erntet Applaus von den Zuschauern. Auch Wilfred wird für seinen Jump gelobt, als er nach kurzer Benommenheit wieder aufsteht. Was niemand sehen kann, ist, daß der 40-Jährige ein massives Hirntrauma erlitten hat, das sich allerdings "nur" in einer sogenannten Wernicke-Aphasie manifestiert. Bei dieser Sprachstörung vertauscht der Patient beim Sprechen Laute, Silben oder Lexeme und erfindet zum Teil neue Wörter, ohne davon selbst etwas zu merken. Seinem Bruder fällt Wilfreds Leiden erst am Abend auf, als dieser an der Cocktailbar einen "Margarina mit Zitronenglas und Tapeten zum Lachen" bestellt. Doch Alfred wäre nicht der lebenslustige Lachfex, als den man ihn kennt, wenn er aus der Situation nicht das Beste zu machen verstanden hätte. Noch im selben Jahr beginnt er, sämtliche Wortschwälle des Bruders mitzuschneiden und zu transkribieren. Es entsteht eine faszinierende Sammlung ungebändigten Gedankenflusses, in wirrer Sprache, doch oft mit erstaunlich tiefem, ja unheimlichem Sinn. "Der Trapp leckt" ist bei Chapman & Hall erschienen, faßt 1059 Seiten und kostet 39,99 €.
Claus Kleber
I drove downtown, scanning the alleys until I saw a rail-thin Mexican kid standing by a dumpster wearing a St. Louis Rams jacket. The kid was wearing the jacket, not the dumpster.
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