Musikalische Mythen der Pubertät - und ihre Auflösung

Für Spiele und gesammelte Sprüche, Band-, Bäckerei- und Frisörnamen und alles andere, was man in einem Forum halt so sammeln kann

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wurstdüse
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Musikalische Mythen der Pubertät - und ihre Auflösung

Beitrag von wurstdüse »

Sehr verehrte Damen und Herren!

erinnern Sie sich an ungeklärte Fragen und Undenkliches in der Musikbranche, während Sie still oder weniger still zum Mann/zur Frau heranwuchsen. Hat Sie, vorausgesetzt Sie sind dieser Phase bereits entwachsen, eine Erklärung zu diesen Fragen widerfahren?

Hier zwei Beispiele zu dieser Zeit meines Heranwachsens:

Lucky Man (Emerson, Lake und Palmer). So öde der text! Die Erklärung kam 20 Jahre später (Ich wurde aufgekärt, und das ist ein wenig peinlich von T. Gottschalk). Greg Lake soll diesen Text bereits mit 12 jahren geschrieben haben!

Triangel-Solo: Was haben wir uns beömmelt über die die Tatsache, das ein Triangelsolo in einem ernstzunehmenden, also richtigen, Rockkonzert gespielt wird. Die Auflösung dazu erfolgte ebenfalls 20 Jahre später: DVD Nick Cave: God is in the house, live France 2001! woowwww!

Teilen Sie mit mir das Glück, solcherart Erfahrung kennengelernt zu haben?

Die Düse ist gespannt.
Der Auswurf ist die Auster des kleinen Mannes (G. Polt)
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Aprilfischer
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Re: Musikalische Mythen der Pubertät - und ihre Auflösung

Beitrag von Aprilfischer »

Verehrte Frau düse,
wurstdüse hat geschrieben:Hat Sie, vorausgesetzt Sie sind dieser Phase bereits entwachsen, eine Erklärung zu diesen Fragen widerfahren?
der Phase, da ich derlei Syntax für undenklich hielt, bin ich wohl immer noch nicht entwachsen.

Anders verhält es sich aber mit dem anzüglichen Teil des Refrains von "Polonäse Blankenese". Ich will gar nicht andeuten, wie viele unschuldige Jahre meines Lebens lang ich es als das Normalste von der Welt und nicht der Denke wert ansah, dass man seinem Vordermann (hier: Vorderfrau) bei solchen Anlässen von hinten an die Schulter fasst. Und dass das Reimschema aus dem ersten Refrain-Teil "Käse"-"Polonäse" nicht weiter durchgehalten wurde, schob ich dem insgesamt zweifelhaften intellektuellen Niveau der Darbietung zu. Warum "Erwin", warum "Heidi"? Tja, doch wohl, um die Piefigkeit des Polonäsentums subtil durchscheinen zu lassen (bitte nicht persönlich nehmen, Herr Kostedde. Man kann sich seinen Namen eben nicht aussuchen).

Als mich des unvermuteten Rätsels Lösung ereilte wie ein Blitzschlag oder ein zufällig hergezappter 0190-Spot (Sie wissen schon, einer dieser ganz schlimmen mit "Frauen ab 50", nach denen man ohne Abendbrot ins Bett muss), hob das weder die Stimmung, noch kam Freude auf. Vielmehr blickte ich fassungslos auf meine Jugend zurück, als ein Gummihahn bei mir noch als originelles Requisit durchging, und erinnerte mich, dass ich "Herbert", den Song über das Rhythmusgerät, sowieso viel besser fand. Schon allein deshalb, weil Herr Wendehals in der "Hitparade"-Live-Version immer meine seinerzeitige Lieblings-Musikgruppe erwähnte.

Kein schöner Augenblick, an den Sie mich da erinnert haben.

peinlich berührt ab

Aprilfischer
Wenn du in einem erleuchteten Raum den Lichtschalter drückst, erwarte nicht, dass es heller wird. (Konfuzius)
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Der Korrektor
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Beitrag von Der Korrektor »

Also am eigenartigsten fand ich immer The Sparks, die es Gerüchten zufolge auch heute noch geben soll. 1974 kaufte ich mir die Single "This Town Ain't Big Enough For Both Of Us" und später das Album "Kimono My House", grelle schrille Popmusik mit wirren und komplizierten Arrangements, viel Glamrock-Einfluss und einem exaltierten, völlig durchgedrehten Gesang. Bisschen wie Queen, aber VIEL poppiger und trashiger.

BildBild

Und dann die Appearance der beiden Brüder! Russell Mael als durchgeknallter, schriller, schwuchteliger Möchtegern-Popstar mit Lockenkopf, sein Bruder Ron stand im Hintergrund im Charlie-Chaplin-Adolf-Hitler-Look unbeweglich als tragische Gestalt hinter den Keyboards. In Ilja Richters <a href="http://user.cs.tu-berlin.de/~zechlinm/m ... .html#di46" target="_blank">Disco '74</a> schlug das ziemlich ein, so neben George McCrae und Cindy + Bert. Damals als ca. 12-Jähriger fand ich die Sparks verwunderlich, faszinierend, aufregend: ein Mythos eben! Ich fand es großartig! Die Auflösung: Es war alles nur eine offen ausgetragene Bruderfehde!

Oder doch große Kunst? Wenigstens waren die Sparks SEHR, SEHR außergewöhnlich.
Es war die Personifikation und Inkarnation des Grauens, des Abartigen, des Anderen. Doch bevor er diesen Gedanken vertiefen konnte, riss ihm das Monster gemütlich schmatzend den Kopf ab.
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wurstdüse
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Beitrag von wurstdüse »

Sehr geehrter Herr Aprilfischer,

zunächst danke für den beitrag. die verbindung "wendehals-mythos" lässt mich zwar etwas erschaudern, doch bei weiterer überlegung führt die gedankenkette doch dann auch wieder unweigerlich zu diesem forum. Und zwar durchs plastik-huhn.

Denkt sich jedenfalls

der Herr düse

und Ihnen Herr Korrektor auch ein dankeschön. die verbindung zu t. rundgren war mir absolut neu. Da wird sich wohl gleich mal meine alte Sparks-Scheibe (Kimono my house) auf dem plattenteller drehen.
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Weltalltag-Man
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Beitrag von Weltalltag-Man »

Liebe Wurstdüse, zwei kleine Streams-Of-Consciousness für ihren hübschen Strang:

I

Puh, also diese ganzen Musikvideos, die habe ich, als ich 13, 14, 15 war, soo intensiv mitempfunden! Das waren 1993 z.B. The Breeders / Cannonball (von Spike Jonze directed), PJ Harvey mit so einem Video wo sie was an die Wand sprayt und rumschreit und nasse Locken hat, Arrested Development / Mr. Wendal, Duranduran / Ordinary World, Sting / If I ever lose my Faith mit diesen mittelalterlichen Wissenschaftlern die wen in ein Schwein verwandeln, Suede / Animal Nitrate (mit so Tiermasken), David Bowie / Jump, Depeche Mode / Walking in my shoes, 2 Unlimited / No Limit ("Tekkno Tekkno Tekkno Tekkno"). Egal, welche Zielgruppe das Video hatte, die haben mich damals alle verstört, inspiriert, entspannt, in eine andere Welt (der Ästhetik) geführt... Ich war damals noch so richtig schön unabgestumpft, jedes Video wurde zu einem eigenen Mythos in meinem Kopf, einem mysteriösen Schlüssel zum Lebensverständnis der Erwachsenen. Auflösung erfolgte durch feste Schläge auf den Hinterkopf, physisch und im übertragenen Sinne...

II

C64-Musik! Habe gerade kurz Tetris am C64-Emulator gespielt. Flashback! Da saß ich, 1989, als Mode, TV... ganz anders aussahen, am Bildschirm. Die Grafik und Musik der C64 Version von Tetris hatte in mir solche fantastischen Vorstellungen über die Existenz ausgelöst (Einblendung "Clockwork Orange": Alex beim Genuß des guten alten Ludwig van...). Allein das Erfahren, daß Menschen so eine Synphonie von Titelbild, Musik und Spiel in dieser Form auf den Markt werfen... scheiße, kein Joint hat mich so intensiv in die "Wirklichkeit" der Spiele, (Kinder-)Bücher, Musik eintauchen lassen wie die Kindheit... ich bin mir sicher, wir haben über den Einfluß der Medien auf das Lebensverständis der Menschen nur die Spitze vom Eisberg erfahren, daher gibt es wohl noch keine Auflösung für den Zauber dieser illusionen...Moment, eine eigene (off-Topic-)These hab ich noch: um so grob-pixeliger das Spiel, um so mythischere Proportionen nimmt es an.
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lenin
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Wendehals

Beitrag von lenin »

Lieber Herr Aprilfischer, sie haben ja Recht („ach, der Wolfram Siebeck, der hat ja soo Recht!“, [M. Goldt, aka Foyer des Arts]). Warum nicht mal in der peinlichen Kindheit stöbern? Zu besagtem Herrn Wendehals fällt mir nämlich noch ein, dass er bürgerlich Werner Böhm hieß, ein durchaus talentierter Jazz-Pianist war, u.a. mit Udo Lindenberg in der ganz ganz frühen Hamburger Schule zusammen musizierte und eine Zeit lang mit der Schlagersängerin Mary Roos vermählt war. Und von eben jener Mary Roos war meine erste eigene Schallplatte. Es war eine Vinylsingle namens „Stop! Mach das noch einmal“. An viel mehr von dem „Song“ kann ich mich nicht erinnern. Vermutlich fände ich das Lied heute nicht mehr ganz so stark. Die allerallererste Schallplatte war allerdings eine andere, doch die gehörte zur Hälfte meinem Bruder. Es handelt sich um „20 Dynamic Hits“ von K-Tel und die hab’ ich heute noch. Da sind ein paar echte Reißer drauf (The Osmonds, Slade, The Tremoloes und sogar Argent, ein Bandprojekt des, glaube ich, legendären Rockgitarristen Rod (glaube ich) Argent.). Damals war ich, glaube ich, vier. Ich weiß nicht, ob das bereits zur Pubertät zählt, schließlich bin ich in der ja immer noch. Es hätte schlimmer kommen können, glaube ich...
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I don't use poetry, art or music to get into girls' pants,
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