http://www.welt.de/data/2005/03/26/615815.html
Linda, ach Linda
Von Kartoffelkanonen und anderen Wohltaten: Eine knollige Kulturgeschichte
von Ulrich Baron
Im bunten Treiben norddeutscher Wochenmärkte erscheinen Kartoffelstände nur selten als Horte der Eloquenz. Um so erstaunlicher waren die Gespräche, die man Anfang des Jahres dort erleben konnte. Es klang ein Unterton von Abschied mit, und immer wieder fiel ein Name: Linda.
Kennern gilt sie als festkochend, von angenehm gelber Farbe und großem Wohlgeschmack. Als Salat-, Brat-, Grünkohl- oder pur als Pellkartoffel galt sie über drei Jahrzehnte als Zierde jeder Tafel, doch das sollte jetzt vorbei sein, weil der Züchter Böhm/Europlant Linda vom Markt nehmen und durch eine ertragreichere Sorte ersetzen will. Ein kleiner Aufschrei ging durchs Land, Köche und Kunden schlugen Alarm, und damit war es wieder da - dieses Erst-stirbt-der-Wald-und-dann-Gefühl.
Die emotionale Bindung des Menschen an seine Kartoffeln scheint stärker zu sein als angenommen, und das hat mit den historischen Wurzeln dieser Knolle zu tun, denn ohne Kartoffeln gäbe es viele von uns wohl nicht, und mit Sicherheit gäbe es keine "Blechtrommel". Denn hätten damals im Herzen der Kaschubei, an der Straße zwischen Dirschau und Karthaus nicht die Kartoffelfeuer gebrannt, hätte die Großmutter des Erzählers nicht an einem dieser Feuer gesessen, und wäre ihr der Joseph Koljaiczek auf seiner Flucht vor den Feldgendarmen nicht unter die Röcke gekrochen, hätte es nie einen Oskar Matzerath gegeben, und den Literaturnobelpreis hätte am Ende doch der Kempowski bekommen.
[…]
http://www.umweltjournal.de/fp/archiv/A ... t/8122.php
Alle wollen Linda
Bonn, 17.03.2005: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Unterschriftenaktion zur Rettung der Kartoffelsorte "Linda" gestartet. Diese bei Verbrauchern sehr beliebte Kartoffelsorte soll nach dem Willen des Kartoffelzuchtunternehmens Europlant nach 30 Jahren vom Markt verschwinden.
Der Saatgutanbieter hat beim Bundessortenamt in Hannover kurz vor Ablauf der Sortenzulassung vorzeitig die Streichung aus der Sortenliste veranlasst. Die Verbraucherzentrale Hamburg möchte zusammen mit anderen Kooperationspartnern erreichen, dass die Sorte wieder zugelassen wird. Das Bundessortenamt prüft derzeit die Wiederzulassung.
Pflanzenzüchter erhalten für eine von ihnen gezüchtete neue Kartoffelsorte bis zu 30 Jahre Sortenschutz und beantragen die Sortenzulassung, um die Sorte in Verkehr bringen zu können. In der Zeit des Sortenschutzes hat das Unternehmen sozusagen Exklusivrechte und bekommt Lizenzgebühren, wenn Landwirte die Sorte anbauen. Nach Ablauf des Sortenschutzes kann jeder frei über die Sorte verfügen, eine erneute Schutzerteilung ist dann nicht mehr möglich.
Den Züchtern steht es dagegen frei, mit der Streichung aus der Sortenliste, zu verhindern, dass andere Vermehrungsmaterial einer Sorte in Verkehr bringen können und so über ihr "geistiges Eigentum" verfügen. Der Verbraucher muss aber auch ohne "Linda" nicht auf leckere Kartoffeln verzichten. "Inzwischen gibt es auf dem Markt genügend andere neue Sorten, die mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar besser sind als Linda", so Dr. Reinhard Müller vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter in Bonn.
In der aktuellen Beschreibenden Sortenliste "Kartoffeln" des Bundessortenamtes sind 209 Sorten gelistet. Informationen über Kartoffeln und ihre Eigenschaften enthält auch das aid-Heft "Kartoffeln und Kartoffelerzeugnisse". Informationen über Sortenschutz und Sortenzulassungen gibt es unter
http://www.bundessortenamt.de
Renate Kessen
http://www.kn-online.de/news/archiv/?id=1602787
Wer wird Lindas Nachfolgerin?
Norddeich – Die Kartoffelsorte Linda wird spätestens im Jahr 2007 nicht mehr auf dem Markt zu finden sein. Jetzt wollte der Beratungsring für Kartoffelanbau wissen: Welche Kartoffel schmeckt genauso gut wie die leckere Linda? Bei einem Kartoffeltestessen in Norddeich war auch ich eingeladen, um diese Frage zu beantworten.
Neun verschiedene Sorten wurden mir und den etwa 30 Mitgliedern nacheinander auf den Tischen serviert. Keine Beilagen, ausschließlich Pellkartoffeln. Mir gegenüber saß Günther Zuba (45), Kartoffelanbauer aus Wesselburen. „Solange es möglich ist, die Linda anzubauen, würde ich sie favorisieren“ , sagte er mir. Ob er seine Linda herausschmecken würde? Ich war gespannt. Neben Zuba saßen noch die Kartoffelanbauer Jark Heesch (38) aus Eesch sowie Jens Mohr (36) aus Heringsand, ich war in guten Händen.
Auf einem Auswertungsbogen sollte ich Farbe, Mehligkeit, Feuchte und Geschmack beurteilen. Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nicht wusste, welche Kartoffelsorte gerade auf dem Teller lag, konnte ich unvoreingenommen Kreuze machen. Die ersten Schüsseln mit Pellkartoffeln kamen auf die Tische. Jede Kartoffel die ich nahm durfte ich selbst pellen. Die erste Sorte war nicht gerade berauschend, stark mehlig, nicht gerade mein Geschmack. Mit einem Gesamturteil der Note 7 (1 hieß sehr gut und 9 weniger gut) hatte ich die Sorte bewertet. Leise Zwischenrufe in der Gaststätte ließen vermuten, dass ich mit meiner Einschätzung im Trend lag.
Es ging immer so weiter, eine Sorte nach der anderen wurde serviert und einzeln bewertet. Ein abschließend zusammengetragenes Gesamtergebnis jeder Sorte brachte am Ende einen Sieger hervor. Imke Pieper, Beraterin im Beratungsring für Kartoffelanbau verkündete das Ergebnis: Mit einem Gesamtergebnis der Note 2,5 hatte die Sorte Prinzess den meisten Teilnehmern am besten geschmeckt. Anschließend folgten die Sorten Oktavia (4), Simone (4,12), Edelstein (4,3), Linda (4,6), Bernadette (4,8), Andante (5,1) und Belana (5,5). Schlusslicht war die Sorte Salome (7,1), welche mir anfangs nicht sehr schmeckte. Meine Favoriten waren Oktavia und Prinzess, welche ich beide mit einer 3,0 bewertet hatte.
Überrascht zeigten sich die Kartoffelanbauer über den fünften Platz ihrer Linda. Goldgelb, festkochend und unverwechselbar im Geschmack soll sie sein. Ich empfand sie als etwas zu trocken, deshalb lag sie bei mir mit einer 4,0 auch nicht auf den vorderen Plätzen.
Thorsten Hölck, Chef der Marketinggemeinschaft Küsten-Knollen, machte allerdings auch auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die die Festlegung auf eine Nachfolgesorte mit sich bringen könnte. „Mängel an einer Sorte im Anbau lassen sich erst nach mehreren Jahren feststellen, wenn sowohl trockene als auch feuchtere Jahre überwunden sind“.
„Wir erzielen bei uns nie die größten Erträge, dazu ist unser Marschboden einfach nicht geeignet“, erzählte mir Zuba, allerdings hätten die Kartoffeln aus den Kleiböden ein sehr gute Qualität, im Vergleich zu anderen Anbaugebieten. Als Frühkartoffel baut Landwirt Zuba bereits die Kartoffelsorte Prinzess an, allerdings weiß auch er um die Anbauprobleme dieser Sorte.
Dithmarscher Landeszeitung
Ralf Tiessen