Die Renaissance - Das Zeitalter des Obszönen?

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Prof. Adorno
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Die Renaissance - Das Zeitalter des Obszönen?

Beitrag von Prof. Adorno »

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider habe ich gerade Benvenuto Cellinis Autobiographie gelesen. Und eines kann ich Ihnen versichern: einen ekelhafterern Sexual- und Potenzprotz findet man schwerlich, zumindest nicht in der Renaissance. Man denke nur an das berühmte Salzfäßchen für Franz I., das noch heute im Wiener "kunst"historischen Museum gaffenden Japanern exhibitioniert wird. Sie erinnern sich, da sitzt diese Nymphe, nestelt an ihrem (nicht einmal besonders stattlichen) Vorbau, und ihr gegenüber sitzt Neptun, mit seinem "Szepter" irgendwie phallisch in der Gegend herumfuchtelnd. Das ganze dann in Gold und Silber undsofort. Geschmacklos hoch x. Ein Ausrutscher? Nichts da.

In der eben genannten Autobiographie berichtet Benvenuto (wörtl. "der gut 'Gekommene' "), er habe bei einem Festbankett für Römer Künstler den "hübschen Diego", dessen Kopf "von zierlicherer Gestalt war als der des antiken Antinous" (Sie erinnern sich, das war der gute 'Freund' Hadrians), als ein bezauberndes Mägdelein verkleidet, und ließ den Feiernden vorgaukeln, er hätte mit der Frau eine Affäre. Im Laufe des Abends jedoch hätte Diego durch krassen physiologischen Erweis hier eine Richtigstellung erbracht etc. pp. . Ja, "Beni" ließ nichts anbrennen. Zu seinem neunundzwanzigsten Geburtstag nahm er sich ein Hausmädchen, "una giovane di molta bellissima forma e grazia, questa tale io me ne servivo per ritrarla, a proposito per l'arte mia: ancora mi compiaceva all giovinezza mia del diletto carnale" - für den Unkundigen: die junge Frau stand ihm nicht nur Modell, nein, sie "besorgte" auch den ganzen "Haushalt".

Wiederum am Hofe Franz I. verlangte die Gespielin des Königs, Madame d'Etampe, daß Benvenutos neue Jupiterstatue in Fontainebleau aufgestellt würde. Dort aber waren so viele echte Antiken versammelt, daß sich selbst Cellinis Talent hier nur unbedeutend ausnehmen würde. Um sich zu rächen und die Dame zu schockieren, verfuhr Ben"venuto" wie folgt: "io avevo messo un velo addosso alla ditta figura, per coprire gli errori. Questo si era un velo sottilissimo, che io avevo messo con bella grazia addossso al ditto Giove, perché gli accrescessi maestà: il quale a quelle parole io lo presi, alzando per di sotto, scoprendo quei bei membri genitali, e con un poco di dimostrata istrizza tutto lo stracciai. Lei pensò che io gli avessi scoperto quella parte per proprio ischerno." (p366)

D. h. die verschleierte Statue wird ruckartig enthüllt, um der Dame die Vorzüge der Modernen gegenüber den Antiken anhand der "stattlichen Genitalien" des Göttervaters vorzuführen.

Was bleibt? Wir müssen uns fragen, welche Schweinesuhle eigentlich das ist, was sich an unseren von teuren Steuerngeldern finanzierten Universitäten großspurig "Renaissance-Forschung" nennt. Pfui, sage ich, pfui und dreimal pfui darüber!



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alles zitiert nach: Vita. ed. Guido Davico Bonino. Turin 1973
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hessen-heidegger
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Beitrag von hessen-heidegger »

Erstaunlich und bewunderswert, dass Sie trotz allem dieses Buch zu Ende gelesen haben. Ich kann mir geradezu ausmalen, wieviel Kraft es gekostet hat, die Seiten umzudrehen, wussten Sie doch nur zu genau, dass auf der nächsten die gleichen Widerlichkeiten warten, wie auf der eben mühsam durchgelesenen, welcher Willensanstrengung es bedurfte, das Buch nicht einfach fortzuwerfen, welcher sittlichen Standhaftigkeit, angesichts dieses sich immer wieder neu auftuenden Abgrunds an Unmoral nicht zu verzagen, nicht zu verzweifeln. Sie wussten, es ist Ihre Pflicht, diesen schlammigen Weg zu durchschreiten, damit andere, sittlich weniger gefestigte, nicht in eben diesem Schlamm stecken bleiben. Dafür möchte ich Ihnen danken. Was bleibt uns zu tun? Ich rate, bei den diesbezüglichen Werken der grossen Moralphilosophen Zuflucht zu suchen, z.B. Kants "So nicht, meine Herren!" (Königsberg, 1789) oder Wickerts "Buch der Tugenden" (Berlin, 1999).

P.S. wurde dieses besagte Salzfässchen nicht geklaut? Wahrscheinlich konnte der Dieb nicht länger ertragen, diesen Schmutz in aller Öffentlichkeit ausgestellt zu sehen. Ein braver Mann. Oder Frau!

P.P.S Über diesen Diego... äh, wissen Sie da vielleicht mehr zu berichten? Irgendwelche Details? Auf das man sich ein klareres Bild über diese abscheulichen Vorgänge machen kann; denn nur Wissen kann einen gegen diese tückische Sünde gefeit machen, äh, Sie verstehen, nicht wahr?
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Es wird krasser und krasser. Hier in Europa scheinen sich die "edlen" Herren Renaissance-Forscher noch verschämt hinter hehren Worten wie "Kulturgeschichte", "Diskursanalyse" und anderem Blubberbla zu verstecken, während sie keuchend und mit roten Ohren den Cellini lesen. Im Babel Amerika hingegen praktiziert man das sündige Treiben inzwischen ohne jede Scheu. Hier kann eine Dissertation über den "feinen" Renaissance-Bildermaler Cellini mit einem Cover erscheinen, das einem x-beliebigen Schwulenporno zur Ehre gereichte:

Bild

Margaret A. Gallucci: Sexuality, Masculinity, and Artistic Identity in Renaissance Italy.
(Könnte aber genauso gut "Pedros Abenteuer in der Sauna" heißen, die "Klientel" dürfte in etwa dieselbe sein!)


Das Schlimmste ist: diese "Wissenschaftler" haben recht! Die Renaissance war unanständig, ja vielleicht die unanständigste Epoche aller Zeiten. Insbesondere die Florentiner Renaissance lief unter dem Motto: außen hui und innen pfui. Wie sich nachlesen läßt, wurde in den siebzig Jahren zwischen 1432 und 1502 gegen fast 17 000 der männlichen Bevölkerung Florenz' wegen Verdacht auf Sodomie ermittelt - und das bei einer Gesamtbevölkerung von gerade mal 40 000! Von diesen wurden zwar "nur" 3 000 verurteilt, viele tausend mehr gestanden aber freiwillig, um Amnestie zu erhalten. So ging das also zu! Ein Wunder, das diese "schöne" Stadt nicht binnen drei Generationen vollkommen ausstarb! Mehr von diesen "faszinierenden" Details lesen bitte nach in M. Foucault, "Geschichte der Sexualität", Bd. dings, "Die Perversen".
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General Amnestie
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Beitrag von General Amnestie »

Da haben Sie ja wieder mal ein ganz heißes Eisen angefaßt, Herr Professor. Aber Sie haben recht! Über die Florentinische Renaissance wird nur Abartiges, Abscheuliches und Abnormes berichtet. Zum Beispiel durch Josef Popper(!)-Lynkeus in seinen "Phantasien eines Realisten" (1899).
Auf einem Landgut unfern von Florenz lebte eine "feine" verwitwete Dame, die durch ihren freien (!) Lebenswandel weit und breit (!) bekannt war... aber lesen Sie selbst. Es ist grauenhaft.


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Der Korrektor
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Der auferstandene Christus triumphierend

Beitrag von Der Korrektor »

Vielleicht sollte einmal darüber gesprochen werden, dass nicht nur die Renaissance, sondern auch der Barock seine obszönen Auswüchse hatte. Beispielhaft für den damaligen Schweinkram sei hier auf das Morgenlattenbild "Der auferstandene Christus triumphierend" von Peter Paul Rubens (um 1615/1616) aus der aktuellen Ausstellung "Ansichten Christi" im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hingewiesen:

Bild
Es war die Personifikation und Inkarnation des Grauens, des Abartigen, des Anderen. Doch bevor er diesen Gedanken vertiefen konnte, riss ihm das Monster gemütlich schmatzend den Kopf ab.
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