Schwulheitserreger hat geschrieben:bitte reagieren sie nicht darauf
Doch! Noch mal kurz, weil es wichtig ist (und es so schön wäre, wenn die
Menschheit derlei Unterschiede bei jedweder Diskussion etwas genauer nähme).
Nur zwei Sachen:
Erstens (und das ist nur eine Wiederholung): Der Drang zum Löcherstopfen, wie sie es nennen, ist nicht Beleg eines
Zwecks der betreffenden Spezies, sondern nur eine
Eigenschaft der Spezies. Darwin in drei Worten: Kontingenz statt ‚Krone der Schöpfung’.
Zweitens (dieses Zweitens ist wissenschaftstheoretisch hochinteressant aber auch komplex und längst nicht so simpel, wie ich hier vorgebe. Wenn sie Unterhaltung suchen, lesen sie besser nicht weiter):
Das Wort "weil", das sie mehrmals verwenden ist jeweils unglücklich gewählt. Die Biologie liefert fast ausschließlich funktionale Erklärungen. Ein "weil" deutet aber stets auf eine kausale Erklärung hin, und führt deshalb falsch benutzt eben auch zu falschem Glauben. Es ist ja gerade der alles entscheidende Dreh der Darwinschen Wissenschaftsrevolution, dass er die falsche Kausalität der überlieferten teleologischen Evolutionstheorien durch eine diachrone Quasi-Kausalität funktionaler Erklärungen ersetzt hat.
Am Beispiel:
"Männer kommen zu früh, weil". Kausal können sie z.B. erklären, aufgrund
welcher biochemischer Molekularprozesse (Ursache), ein Orgasmus (Wirkung) zu Stande kommt. Die von ihnen angebotene funktionale Erklärung ("aufgrund lauernder Gefahren...") würde jetzt kausal missverstanden irrerweise unterstellen, die Moleküle könnten rationale Entscheidungen treffen, also z.B. Risiken abwägen etc. Erst in the very long run wird u.U. rückwirkend ein Schuh draus: Möglicherweise stellt die kurze Begattungszeit des Männchens einen Selektionsvorteil dar, so dass eben der Homo Sapiens, so wie er ist, überleben konnte, während der Alternativentwurf, der drei Stunden kann/will, dem Aussterben geweiht gewesen wäre.
M.a.W.: Es ist in all den von Ihnen gegebenen Beispielen nicht so,
weil... sondern die gegebenen
Erklärungsvorschläge sind nichts weiter als plausible
Erklärungsvorschläge im Hinblick auf einen von uns als Beobachter zugeschriebenen Zweck. Wieder prägnanter formuliert: Kausalität existiert in der Natur unabhängig von einem (menschlichen) Beobachter. Eine Funktion bedarf immer eines Beobachters, der einem Sachverhalt diese Funktion im Hinblick auf einen unterstellten Zweck zuschreibt. Um nicht wieder ein Missverständnis hervorzurufen: Natürlich können auch Tiere funktional handeln (z.B. benutzen Affen Baumäste, um besser an Nahrung zu gelangen), aber nur Menschen können derlei scheinbare Zweckrationalität beobachten und behaupten.
Soweit die kleine Nachhilfestunde in Evolutionstheorie. Lasse mich auch gerne eines besseren belehren, wenn’s wer besser weiß. Die Deutschen (vermutlich die meisten Europäer) tun sich bis heute schwer darin, Darwin richtig einzuschätzen, was u.a. auch in irreführenden Wortkreationen wie ‚Sozialdarwinismus’ zum Ausdruck kommt. In Amerika ist das hingegen Teil des Common Sense, was wiederum daran liegen mag, dass er eben deren erstes großes wissenschaftliches Eigengewächs war. Ein Großteil der amerikanischen Sozialtheorie und Philosophie, vielleicht sogar des amerikanischen Geisteslebens überhaupt, lässt sich ohne diese Allgegenwart Darwins und den Stolz auf seine Lehre nur schwer verstehen.
Hab’ ich eben implizit Amis gelobt?
Wird nicht wieder vorkommen. Versprochen!
God save the queen