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TanjaKrienen
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Beitrag von TanjaKrienen »

Ludwig Börne und Heinrich Heine

Warum voraussichtlich der „Online – Journalist des Jahres“, Henryk M. Broder, am Sonntag den Ludwig Börne-Preis zurecht erhält.

Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben. Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleich süßen und leidenschaftlichen Musik. Er besaß jene göttliche Bosheit, ohne die ich mir das Vollkommene nicht zu denken vermag. – ich schätze den Werth von Menschen, von Rassen danach ab, wie nothwendig sie den Gott nicht abgetrennt vom Satyr zu verstehen wissen. – Und wie er das Deutsche handhabt! Man wird einmal sagen, dass Heine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen sind – in einer unausrechenbaren Entfernung von Allem, was bloße Deutsche mit ihr gemacht haben. Friedrich Nietzsche

Es ist nicht meines Amtes, die Mängel dieser Schreibweise aufzudecken, auch würde jede Andeutung über das, was mir an diesem Style am meisten mißfiel, nur von den wenigsten verstanden werden. Nur so viel will ich bemerken, daß, um vollendete Prosa zu schreiben, unter andern auch eine große Meisterschaft in metrischen Formen erforderlich ist. Ohne solche Meisterschaft fehlt dem Prosaiker ein gewisser Takt, es entschlüpfen ihm Wortfügungen, Ausdrücke, Cäsuren und Wendungen, die nur in gebundener Rede statthaft sind, und es entsteht ein geheimer Mißlaut, der nur wenige, aber sehr feine Ohren verletzt….Ich sah jetzt ein zufriedenes Männchen, sehr schmächtig, aber nicht krank, ein kleines Köpfchen mit schwarzen glatten Härchen, auf den Wangen sogar ein Stück Röthe, die lichtbraunen Augen sehr munter, Gemüthlichkeit in jedem Blick, in jeder Bewegung, auch im Tone. Dabey trug er ein gestricktes Kamisölchen von grauer Wolle, welches eng anliegend wie ein Ringenpanzer, ihm ein drollig mährchenhaftes Ansehen gab. Wie in seinen Aeußerungen über Goethe, so auch in seiner Beurtheilung anderer Schriftsteller, verrieth Börne immer seine nazarenische Beschränktheit. Börne war ganz Nazarener, seine Antipathie gegen Goethe ging unmittelbar hervor aus seinem nazarenischen Gemüthe, seine spätere politische Exaltazion war begründet in jenem schroffen Ascetismus, jenem Durst nach Martyrthum, der überhaupt bey den Republikanern gefunden wird, den sie republikanische Tugend nennen und der von der Passions- sucht der früheren Christen so wenig verschieden ist. In seiner spätern Zeit wendete sich Börne sogar zum historischen Christenthum, er sank fast in den Katholizismus, er fraternisirte mit dem Pfaffen La Mennais und verfiel in den widerwärtigsten Kapuzinerton, als er sich einst über einen Nachfolger Goethes, einen Pantheisten von der heitern Observanz, öffentlich aussprach. – Psychologisch merkwürdig ist die Untersuchung, wie in Börnes Seele allmählig das eingeborene Christenthum emporstieg, nachdem es lange niedergehalten worden von seinem scharfen Verstand und seiner Lustigkeit. Ich sage Lustigkeit, gaité, nicht Freude, joie; die Nazarener haben zuweilen eine gewisse springende gute Laune, eine witzige eichkätzchenhafte Munterkeit, gar lieblich kapriziös, gar süß, auch glänzend, worauf aber bald eine starre Gemüthsvertrübung folgt. Heinrich Heine über Ludwig Börne, in „Ludwig Börne“

Ludwig Börne und Heinrich Heine

Wer war dieser Ludwig Börne, der eigentlich Juda Löb Baruch hieß? Und warum erhält ein „Online Journalist des Jahres“ einen nach ihm benannten Preis? Und warum schlüsselt niemand auf, was nur beinahe stillschweigend angedeutet wird, nämlich: Weshalb ausgerechnet der ansonsten hoch gelobte Heinrich Heine, ausgerechnet zu jenem Ludwig Börne in Gegnerschaft geriet?!

Wer das obige Zitat aus der, drei nach Börne Tod veröffentlichten Schrift „Ludwig Börne“ (1840) aufmerksam liest, erkennt leicht die von Heine geäußerte Kritik an Börne.
Sie waren kurzzeitig Weggefährten, gerieten in Widerspruch zum feudalen deutschen Geist und fanden ein neues Leben in Frankreich, genauer: in Paris (wo auch heute noch beide begraben liegen). Heines Abrechnung mit dem „Typus des engstirnigen Puritaners“ (Liedtke), begreift der Verleger Campe als Angriff auf den „Haus-Götzen“ und beschert Heine eine regelrechte Kampagne der Öffentlichkeit. Die Differenzen aber, die zwischen Heine und Börne auftreten, beschreibt er in der besagten Schrift als eine zwischen den „Repräsentanten der Nationalität und den Repräsentanten des Kosmopolitismus“. Hier haben wir die auf den Punkt gebrachten, tieferen Gründe. Während nämlich Heine sich einer universellen Welterklärung und einem kosmopolitischen Geist zuwandte, wurde Börne mehr und mehr der Vertreter einer im Zuge des Hambacher Festes eintretenden Verdeutschung.

Börne geifert ursächlich über Heine und ähnelt darin bekannten Nachahmern: „Ich sammle alles, was ich von andern über ihn höre und ich selbst über ihn beobachte. Der Heine ist ein verlogener Mensch. Ich kenne keinen der verächtlicher wäre. Er hat den schlechten Judencharakter, ist ganz ohne Gemüt und liebt nichts und glaubt nichts. Seine ganze Natur und Geistesrichtung, seine Lüderlichkeit, seine Nervenschwäche und weibische Eitelkeit macht ihn zum gebornen Aristokraten. Es gibt doch für einen Mann keinen größern Fluch als Charakterschwäche.“

Heine aber nennt Börne einen „Patriot vom Wirbel bis zur Zehe“, während er selbst hofft, dass „am Ende die allgemeine Gesinnung in Europa (wird)“, die er im Sinne des Kosmopolitismus einfordert: „Ja, im Heere der deutschen Revolutionsführer wimmelt es von ehemaligen Deutschtümlern. Die Worte `Vaterland, Deutschland, Glauben der Väter` usw. elektrisieren die unklaren Volksmassen noch immer weit mehr als die Worte `Menschheit, Weltbürgertum, Vernunft der Söhne, Wahrheit`. Sie sind dem Royalismus nicht entwachsen, sie glauben an Autoritäten, an eine hohe Obrigkeit, an die Polizei, wie an die heilige Dreifaltigkeit.“

Besonders Börnes Geliebte Jeanette Wohl, über die Heine schrieb, sie sei eine „magere Person, deren gelblich weißes, pockenarbiges Gesicht einem Matzekuchen glich“ und die eine Stimme wie eine rostiges Tür habe, schürt Zwietracht. Sie lebt in einem Dreiecksverhältnis mit Börne und dem Frankfurter Kaufmann Salomon Strauß, mit dem sich Heine duellierte. Salomon behauptete, er habe Heine geohrfeigt, dieser bestritt den Vorgang, nahm ihn aber als öffentliche Beleidigung an. Heine wurde dann beim Waffengang am 7. September 1841 durch einen Streifschuss verletzt.

Karl Marx war einer der wenigen, die Heine in diesem Konflikt unterstützen und der zum Buch über Börne, das wegen der Antipropaganda zunächst ein Misserfolg wird, schreibt: „Eine tölpelhaftere Behandlung über dieß Buch von den christlich – germanischen Esel erfahren hat, ist kaum in irgendeiner Litteraturperiode aufzuweisen.“ „Marx und Heine“, schreibt Christian Liedtke in der rororo-Heine-Biographie, „verbinden gemeinsame Erfahrungen und gemeinsame Gegner wie etwa die Nationalisten und die Republikaner Börnescher Prägung.“ Thomas Mann urteilte über das Heinebuch „Ludwig Börne“: „Er war als Schriftsteller und Weltpsychologe nie mehr auf dieser Höhe, nie weiter voraus als in diesem Buch. Die genialste Prosa bis Nietzsche“.

Liedtke zieht ein Fazit der „Todtfeindschaft“(Johann Georg August Wirth): „Publizist gegen Poet, Parteipolitiker gegen Freigeist, Asket gegen Ästhet, Moralist gegen Libertin, Robespiere gegen Danton – viele Gegensatzpaare sind konstruiert worden um die Frontstellung der beiden zu erklären.“ Tatsächlich: Online-Journalisten werden im Jahre 2007 nicht wegen ihrer Korrespondenz mit der Haltung eines poetischen Freigeistes, eines ästhetischen Libertins, geehrt. Sondern, - ja, weswegen?

Quellen
Heinrich Heine „Ludwig Börne“
Christian Liedtke, Heinrich Heine
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