Harald Martenstein

Gebleichter Zellstoff, Vinyl, Zelluloid und ... ja ... Mist, woraus besteht TV?

Moderator: hessen-wohin

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lenin
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Harald Martenstein

Beitrag von lenin »

Da ich hier nur very very selten einen eigenen Strang eröffne, scheint es mir wichtig zu sein.
Sagen wir so: ich brauche Nachhilfe, bzw., was äußerst rar ist, ich begehre anderer Menschen Meinung, da ich selber noch unschlüssig bin. Mir scheint in Person von Harald Martenstein ein potenzieller Nachfolger unseres über Jahrzehnte verlässlichen Lieblingskolumnisten Herrn M. Goldt heranzuwachsen. Wenngleich Herr Martenstein gar nicht mal mehr so jung ist.
Habe ich Recht? Bin ich auf dem völlig falschen Dampfer? Martenstein hat Kinder (oder ein Kind) und schreibt offenbar gern darüber. Das macht ihn verdächtig. Und doch: hin und wieder ist seine wöchentliche Kolumne in der ansonsten ach so trostlos-auflagebemühten ZEIT-Beilage „Leben“ das literarische Highlight der Woche. Kurze, für Bahnmitreisende unverständliche, laute Lacher gar nicht Mal ausgeschlossen. Und vor allem, und das allein lässt mich an Herrn Goldt denken: Er schreibt so oft und luzid einfach genau das, was man selbst auch denkt. Hm (!?)... Oder nicht? Ich kenne keines seiner Bücher, sondern kenne nur die neuesten Sachen aus der ZEIT. Die Martenstein-Internet-Seite lässt mich etwas zweifelnd zurück.
Was denken sie darüber? Wissen sie mehr? Kennen sie den Mann überhaupt?
Hier für Nichtkenner ein Link zum Reinschnuppern.
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Verkatert
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Beitrag von Verkatert »

Wirklich sehr geehrter Herr Lenin!

Ich habe Ihre postings bislang mit großem Interesse und nicht minder großer Anerkennung verfolgt. Dennoch bahnt sich jetzt das veto seine unweigerliche Bahn.
Martenstein schön und gut. Aber der Vergleich mit Goldtens` Maxe ist IM ENDEFFEKT völlig, völlig unangebracht.
Betrachten Sie doch mal alleine den Stil. Max Goldt ist ein Sprachästhet oberster Klasse, wenn nicht gar - und ja, diesen begriff erlaube ich mir! - Sprachfundamentalist, Herr Martenstein dagegen allerhöchstens ein oberer normalmieser Sprachgebraucher. Inhalt - wohlgemerkt - außenvor.
Zudem hat Herr Goldt niemals den Anspruch, tagesaktuell up-to-date zu sein, sondern verfolgt vielmehr diejenigen Themen, die ihm gerade durch seinen von mir sehr vereehrten Kopf wandern. Das Interessante, Bemerkenswerte gerade im Banalen finden, allerhöchstens GESPICKT mit politisch relevanten Aspekten, da gehts lang.
Ich muss gestehen, dass ich von Herrn Martenstein außer seiner ZEIT-Aktivität ebenfalls nichts kenne, und auch diese nur recht sporadisch; er mag zwar inhaltlich hie und da tatsächlich recht nett sein, aber allein durch die sprachpraktische eindeutige unterlegenheit herrn goldt gegenüber verbietet sich m.E. jedweder Vergleich.
Bitte belehren Sie mich eines Besseren, geben Sie mir Lesefutter, das mich überzeugt und meinem ablehnendem Kopfschütteln ein Ende bereitet - aber bislang finde ich Ihren Strang zwar sehr wohl interessant, aber durchaus zu hochgestochen.
erwartungsvolle grüße
verkatert
Dürer? Hab ich nie gelesen.
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lenin
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Beitrag von lenin »

Der Gedanke, der mich eigentlich umtrieb, war ja: Was lesen wir, wenn Herr Goldt mal tot ist, oder zumindest alt und verquast?
Diesbezüglich war meine eigene Martenstein-Recherche ja schon ernüchternd, schließlich ist er schon über fuffzich, und hat ja fast so etwas wie eine Vorzeige-Journalistenkarriere hinter sich.
Dass er nicht den gleichen Stil schreibt wie uns Max ist natürlich nicht zu leugnen (sagen wir: wo Max Goldt manchmal eher Salon-Jazz ist, ist Martenstein manchmal eher Rock’n’Roll), aber auch nicht entscheidend. Entscheidend sollte sein, wie gut das Gelesene ist und wie sehr man sich beim Autor zu Hause fühlt.
Das Talent, dem Volk aufs Schlappmaul zu schauen, haben beide (siehe z.B. „Pickelhauben-Ötzi“ (Goldt) in der letzten SL), genau wie das Talent, fälschlich als cool empfundene Dinge, ihrer Hässlichkeit zu überführen (z.B., dass Motorräder laute Dreckschleudern sind und einen Mann sehr alt erscheinen lassen (Martenstein)).
Vermutlich haben sie aber Recht, Frl. Verkatert – an Max Goldt kommt derzeit immer noch keiner ran, oder, wie Eric Clapton sagen würde: Goldt is God!
Was ist eigentlich aus Fanny Hill (aus seligen Kowalski-Zeiten) geworden?

Kennt sich eben doch nur in Musik und Fußball aus
Lenin
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Pelzer
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Beitrag von Pelzer »

lenin hat geschrieben:Was ist eigentlich aus Fanny Hill (aus seligen Kowalski-Zeiten) geworden?
fanny hill? DIE fanny hill? sie meinen wohl fanny müller?
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Spiny Norman
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Beitrag von Spiny Norman »

Dinsdale?
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Knolle
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Beitrag von Knolle »

Und, Pelzer? Kann man irgendwo noch was von Fanny Müller lesen?
justine
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Beitrag von justine »

Unter anderem ab und zu in der taz, und auf ihrer website http://www.fannymueller.de .
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lenin
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Beitrag von lenin »

natürlich meinte ich Fanny Müller, aber was zum Teufel ist Fanny Hill? Ein Musical mit Barbara Streisand oder Liza Minelli womöglich?
Peinlich, wenn man langsam senil wird.
Die neueste Martenstein-Kolumne ist übrigens durchaus gutes Standard-Handwerk incl. einer 1a-Wiglaf Droste-Schmähung. Ausprobieren.

Edit: noch seniler, wenn man erst im Nachhinein schnallt, dass sie, Herr Pelzer, ja was verlinkt hatten. Neben dem Russ Meyer Schinken gibt es aber, glaube ich, trotzdem noch den oben erwähnten Broadway Film.
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Pelzer
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Beitrag von Pelzer »

hehe. - martensteins aktuelle kolumne hat mir gestern der alles-lesende kollege tietze auch empfohlen, eben wegen der droste-schmähung. ich fand's auch ganz hübsch geschrieben. man sollte ihn m. auf jeden fall im auge behalten.
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Holz. Das Fünfte Element.
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Beitrag von Holz. Das Fünfte Element. »

Droste-Schmähung online übrigens hier. Und hier ca. 267 Texte, die ich mir für alle Fälle mal gebookmarkt habe. Vielen Dank für Ihren Tip, Lenin! Allein, wo finde ich die Martenstein-Internet-Seite, die Sie etwas zweifelnd zurücklässt?

(Fanny Hill ist übrigens ein im Angelsächsischen berühmter pornografischer Roman, der auf unzählige Hardcore-, Softcore- und Garnichtscore-Verfilmungen, Dramatisierungen, Comicversionen etc. pp. zurückblicken dürfte.)

P. S. In einer Martenstein-Kolumne über bauchfreie Tops lese ich gerade folgende Traumsequenz:
Als ich, in einer Pause zwischen zwei Huldigungen, aus meinem Fenster schaute, sah ich vor dem Palast eine Exfreundin, die mich mal aus ihrer Wohnung geworfen hat, dazu einen früheren Chefredakteur von mir, Martin Walser und Wiglaf Droste. Sie alle hatten bauchfreie Tops an.
Doch, tatsächlich, punktuell kommt er an die Qualität heran, die Goldt konstant liefert.

P. P. S. Und lt. Google bewarben Veranstalter Droste-Lesungen früher damit, dass Wiglaf Droste von Harald Martenstein einst im Tagesspiegel als
der große alte Mann des Jungseins
bezeichnet worden sei. Mich würde sehr interessieren, in welchem Zusammenhang dieses Zitat fiel.
Sisters of Mercia/All Ruiz cooker/Sisters of Mercia/Eyes keep it teen/Sisters of Mercia/
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Larifari
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Beitrag von Larifari »

Kann mich bitte jemand darüber ins Bild setzen, wieso Droste-Schmähungen so furchtbar zeitgemäß sind?
Gewiß, seine Polemiken sind mitunter schwer zu ertragen, besonders wenn man zu einer von ihm angegriffenen Personengruppe gehört oder gar persönlich als Zielscheibe auserwählt wird. Umso genussvoller sind sie doch aber, sobald es gegen irgend jemanden geht, dem man ohnehin schon immer mal schlimmere Dinge als den Wiglaf Droste an den Hals gewünscht hat.
Als sie die Sparkassen privatisierten, habe ich geschwiegen, denn ich war ja keine Sparkasse.
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Pelzer
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Beitrag von Pelzer »

moment, martenstein macht sich doch eher lustig über das schmähkolumnenschreiben und denkt laut darüber nach, eine zu schreiben, tuts aber nicht. daß er drostes namen nennt, ist vielleicht ein seitenhieb, aber keine schmähung...

edit: wo ich's genauer lese, fällt mir auch auf, daß martenstein scheinbar eine kleine privatfehde mit droste am laufen hat; aber warum auch nicht. man darf sich doch feinde aussuchen? und nur weils einer, martenstein, tut, ist das doch noch kein trend.
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Larifari
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Beitrag von Larifari »

Sie haben natürlich recht, Pelzer; Herr Martenstein kann tun und lassen, was er will, und Drostes Wiglaf hat eigentlich schon länger mal einen Gegenschlag verdient und sollte diesen wohl auch aushalten können.

Mit "zeitgemäß" meinte ich lediglich, daß es hier mehrere Stimmen gab, die eben diese Droste-Seitenhiebe für bemerkens- oder zumindest erwähnenswert hielten, und da wollte ich wissen, wieso. Allerdings würde ich zugunsten einer Rückkehr zum Strangthema (H. Martenstein) auf eine detaillierte Antwort verzichten.
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FinnCrisp
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Beitrag von FinnCrisp »

Das interessiert mich nämlich auch schon seit einer Weile! Immer wieder liest man hier im Forum (in div. Signaturen) oder auch in der SL kleine Anspielungen/Seitenhiebe auf Herrn Droste. Gänzlich verachtet wird er zB von Axel Marquardt, falls den jemand kennt. Woher rührt diese Aversion gegen Wiglaf Droste, der doch m.E. ganz anständige Arbeit leistet. Hat es etwas mit der ihm oft vorgeworfenen angeblichen Faschismus-Verharmlosung zu tun?

Zum Thema: Martenstein und Goldt, das sind zwei Welten, das sind zwei Paar Schuhe, zwei wie Pech und Schwefel, zwei vom Affen gebissen, zwei außer Rand und Band, zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle ... Man muss die beiden doch nicht nebeneinander stellen, sondern getrennt betrachten. So!
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FinnCrisp
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Beitrag von FinnCrisp »

Hallo. Bitte ignorieren Sie den vorangegangenen Beitrag und beachten Sie diesen hier:
Nämlich:
Harald Martenstein: Der "fetzt"! Ich habe in den letzten Tagen ca. die Hälfte seiner Texte gelesen (Dank @Holz) und bin mittlerweile zum Martenstein-Aficionado erster Kajüte geworden. Sein Schreibstil ist locker-luftig, seine Meinungen sind extrem vertretbar und die Zeit-Artikel sind schön kurz.
Die Vergleiche mit Max Goldt kann man sich schenken. Beide Autoren sollten separat als hochwertige Kolumnen-Könige verstanden werden. Punkt
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