Ausflüge in die Umgebung

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Weltalltag-Man
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Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Weltalltag-Man »

(Früher hab ich mir ja immer gewünscht, daß jemand vorbei kommt und mir sagt, wo es lang geht. Jetzt unter diesen despotistischen Wirtschaftsformen merke ich erst, wie peinlich und frustrierend das sein kann. Ich fühle mich meinen chinesischen Nachbarn ein Stück näher, fuck.)

Vor einigen Wochen bin ich mal wieder durch meine alte Mittelstufe im ländlichen Südhessen, am Rand des Odenwalds, geschlendert: Eine einzige Glastür zum Pausenhof ist eingetreten, zu mehr sind die niedergeschlagenen Kinder nicht mehr in der Stimmung; der Hof ist leer und verstummt, die Bänke auf denen wir schon vor 10 Jahren gelangweilt saßen - völlig unbrauchbar verbogen.

Eine Trolli-Glühwürmchenverpackung, kleine, vermutlich zum Transport belegter Brote benutzte Plastiktüten (die raschelnden, die sich in die Haut schneiden - nicht die leisen, weichen), Äste und Laub, eine CapriSonne-KirschTüte liegen verstreut um die Stelle, an der wir nach der Mittelstufe manchmal zum Rauchen vorbeischauten. Die lagen schon immer da. Aber, wird mir bewusst, sie sind noch warm, es ist Donnerstag nachmittag außerhalb der Ferienzeit.

Ich schaue durch die Fenster, in die Klassenräume, auf die von den Schülern gestalteten Wände, die regelmäßig übermalt werden, auf die Tafeln. "Une, deux, trois, quatre, cinq, six, septe, huit, neuf, dix", steht auf einer. Ich pack's nich. Die Unschuld dieses Tafelbilds haut mich völlig aus den Socken.

Damals hingen überall Depeche Mode Poster in den Fluren, ich erinnere mich an Gesichter der Schüler "über" uns. Die waren "über" uns, die Großen.

Geschockt und enttäuscht von der Gleichgültigkeit, die Zeit, Erziehung und Trolli-Gummikonfekt inne wohnt, verlasse ich den Hof. Beim anschließenden Schmauchen im Stoppelfeld nebenan kommen dann auch tatsächlich keine interessanteren Gedanken zu diesem Ort atavistischer Tradierungen zu Tage. Kein Wunder also, daß ich dort auch damit angefangen habe.
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TalkingSeal
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Beitrag von TalkingSeal »

"Jaja, klar doch...was auch immer...." lautete meine saloppe und im Rückblick etwas zu schnell abgefeuerte Antwort auf eine aus der entfernten Küche gestellten nein eher absichtlich achtlos hingeschluderten Frage meiner Ehefrau. Eine Frage die mir zu einem Zeitpunkt gestellt wurde zu dem ich frustriert und elendig aus dem Seilen aber immerhin noch auf dem Sofa hing während mein Verein gerade eine ganz üble Packung gegen die scheissguten Katalanen mit ihrem ganzen Brasogeschwuchtel einfuhr und dann, kaum zwei Wochen später, stand ich da, mitten im ödesten Friesland zum Besuch meiner Schwiegermutter und dem Rest der angeheirateten Arschbackenfamilie.

Selbstverständlich hat es wie aus Kübeln geregnet, ein Umstand der dazu ausgenutzt wurde stundenlang mit bis zu 10 weiteren Knallchargen und Vollidioten in einer acht Quadratmeter großen Küche um einen Tisch herumzusitzen. Noch mit in der Küche: Fisch, ein bollernder Ofen (Kohle), eine bollernde Gasheizung und diverse geschlossene Fenster. Es war muckelig warm und auch die ausgetauschen Floskeln waren von warmer Herzlichkeit. Wenn meine Schwiegermutter z.B. wissen wollte, ob ich noch Fisch möchte fragte Sie meine Frau, die 10 cm neben mir saß: "Na, will Kai-Uwe* noch Fisch?" Komischerweise sagte sie dies aber in dem sie in meine Richtung schaute und als tatsächlich niemand antwortete dämmerte es mir: "die meint ja mich!"
"Fragt meine Schwiegermutter mich das?" frug ich zurück in dem ich ihr in die Augen starrte und dann "warum spricht sie mich denn nicht direkt an? Ich bin doch hier!" Eisiges Schweigen. Auch auf Seiten meiner Frau. Dann endlich: "Was is nu, willst Du noch Fisch?" "Nee nee", erwiderte ich. Das Gespräch kam an dem Abend nicht mehr so gut in Gang.

Am nächsten Tag gingen wir "spazieren". Wir schritten im steten Nieselregen durch öde Fertighaussiedlungen, gingen unter diverse Autobahnunterführungen hindurch, kamen an einen kleinen, schmutzigen Kanal und folgten dem Dreckwasserlauf hin zu einer stillgelegten Kieskuhle mit einem umgekippten Kran. Von dort aus ging es über brachgelegenes Weideland zurück in die vorgewärmte Küche zum Sandkuchenfassen. Lecker. Abends folgte ein Wechsel mit meiner Schwiegermutter, der doch sehr an den Dialog vom vorherigen Abend erinnerte. Wieder wollte im Anschluß keine rechte Stimmung aufkommen, so dass wir uns schon bald in die durchgelegenen Matratzen schmiegten um am nächsten Morgen sehr früh das Weite zu suchen.



* Name von der Redaktion geändert
"Alle Kinder der Klasse 3b sind doff! [sic]"
Peer Fettpo
Felmy

Beitrag von Felmy »

Eines Morgens, ich hatte genug vom täglichen Einerlei, ging ich mal hinaus auf die Straße und suchte den Kontakt zur ganz einfachen Bevölkerung. Ich wollte ihre Sitten und Bräuche und Vorlieben kennen und lieben lernen und darüber dann etwas schreiben, was das alles glorifiziert. Gleich am ersten 'ganz einfachen' Schnellimbiss – er sah aus wie aus einer ganz frühen Episode von 'Praxis Bülowbogen' - so aus der Zeit etwa, als die Kohl-Junta das koksende Schmidt-Regime wegputschte – begegneten mir drei Damen, die alle aussahen wie Brigitte Mira oder Lotti Krekel. Die drei identischen Damen grillten mir gleich eine leckere Bulette, waren sehr herzlich und erzählten allen Anwesenden harmlos-nette Schnurren aus ihrem kleinbürgerlichen Wurstbudenalltag. Mir natürlich auch – und so lernte ich diese warmherzigen, herrlich unbedarften Leutchen schätzen, ja ich liebte diese Menschen, wollte sie besingen. Im Hintergrund summte das Radio einen spooken Mix aus Steve Miller Band ('Abracadabra'), Ingo Insterburg ('Ich hab ein Mädchen in Biafraa' o.ä.), Whaam! ('Wake me up before you gogo....blabla.....jojo....') und Roland Kaiser ('Joanna'). Bis schließlich ein ziemlich teurer Nobelschlitten angerauscht kam: Ruth Maria Kubitschek ('Spatzerl') brachte Helmut Fischer zur wöchentlichen Physiotherapie, aber vorher durfte er an der Bude noch einen anständigen Happen zu sich nehmen. Eberhard Feik, Konrad Kujau und General Kiesling waren auch da, tranken aber nur was. Als schließlich auch noch die oberscharfe Samantha Fox und Walter Sparbier (samt Einschreiben mit Rückschein) vorbeikamen, wurde mir blitzartig bewusst, dass ich mich lediglich in einer psychedelischen, leicht ansexualisierten Retro-Umgebung befand, einer purpurnen (Gelsenkirchener) Barockphantasie, angereichert mit einem gehörigen Schuß völlig inadäquater und unzeitgemäßer Wehmut. Umgebungen, die vor kurzem noch überall heraufbeschworen wurden und überquollen vor vergessenen Namen, Hits und Zitaten.
Und mein 'Proustscher Trip' war natürlich auch schon längst nicht mehr hip, denn bekanntlich haben die Kritiker ja schon längst gesagt, dass man sich doch bitteschön mal zeitgemäßeren Umgebungen und Themen zuwenden sollte, wie z.B. organisierten Verbreschern, Islamereren und den ostischen Trümmerlandschaften, die uns die grinsenden Zyniker und 'Busenfreunde' Gorbutschoff und Kohl als ewigliche Erblast ins Stammbuch unseres Volkes reingerammt hatten, um unsere Volksökumenie zu ruinieren.
Und 'wirklich' - die wirkliche Umgebung, die ich eigentlich betreten hatte, war ganz anders. Viel realistischer, grausiger, hatte aber mehr Tiefgang und rauen Charme: die Imbisse waren jetzt 'drinnen' und in jedem standen mindestens sechzehn kauzige Hartzies im Morgenmantel herum und benahmen sich so, dass man ein wenig ablachen und mitfühlen konnte mit ihnen. Die vielen Ausländer waren meistens ein wenig zu wild und benahmen sich immer so, wie die beiden Hassliebenden aus 'Gegen die Wand', völlig ausgerastet und ein wenig 'deppert' (Otto Weininger). Sozialer Realismus pur. Gelegentlich trat ein Verzweifelter aus der grässlichen Umgebung dem global operierenden Ganoventum oder dem Rechtsextremismus bei und erschoss aus Armut und Einsamkeit (Liebesmangel) die halbe grässliche Umgebung. Ein Schrei nach Liebe. Inmitten einer grässlichen Umgebung. Der postmoderne Nachwuchs der grässlichen Umgebung frönte den Götzen des Amoks und richtete die andere Hälfte der grässlichen Umgebungsbevölkerung. Alles sah irgendwie aus wie eine Mischung aus Rüttgers-NRW und Söhne Mannheims, gemischt mit einem Schuß Günther Pilawa , Jauche und Levkojen, dem Kalifen von Köln ('Kalifatsstaat Köln'/'Kalif Storch') und Iris Berben. Irgendwie sehr grässlich und 'zeitgemäß' diese Umgebung.......
Weltalltag-Man
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Beitrag von Weltalltag-Man »

Ja, da kann ich nur zweimal Danke sagen; an Herrn Seal, weil es mich für den Rest des Tages weniger wurmen wird, momentan ohne bessere Hälfte zu sein und an Herrn Felmy für den Hinweis auf Proust, dessen Erinnerungs- und Umgebungsgedanken mir anscheinend weiterhelfen können.
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Ruhig bleiben - Probiertest.
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Fremde, einfach

Afghanistan, du fernes Land
mit deinen viel Bazillen
die schleichen sich ins deutsche Heer
durch feine Rillen
in die Trachten der Gefreiten
Fouriere und der Kraftfahrtei
brüten dort ihr Unheil aus
entwickeln sich zu kleinen Klumpen
in den Falten der Waffenröcke
und brechen erst im Urlaub aus

Deutscher Soldat! Komm wieder nach Haus!

Zu Haus ist Tanz im Heidehof
am Sonnabend bis spät
es spiel die Egerländer Blasmusik
viel schöner als im Krieg

Die Frau sitz auch schon lang am Fenster
sieht in die dunkle Nacht
am Weiher schreit dein junger Sohn
den hat die Feuerwehr gemacht

Komm heim, du deutscher Bundeswehr
nach Haus, zu Frau und Kind
beantrage schnell eine Kur
(denn wenn du wieder bei der Familie bist
kommen die Bazillen hervur)
im Schwefel oder in Marienbad
oder bei Pest
dort kann auch schnell das Gebiß gerichtet werden
für wenig Geld zieht man Kronen über
nur pass auf!
Es dürfen keine Bazillen drunter sein
der Zahn muß rein sein
es darf auch kein offenes Bein sein
oder sonstwo Schorf
oder nässen
darf es nicht,
lieber Gefreiter oder Stabsfelwebel
die Gesundheit braucht immer den längeren Hebel
darum fahr schnell nach heim
und verpflicht dich nicht auf zwanzich Jahr
denn dann kann sein, du mußt auf Patrouille
und es sticht beim Rasten ein Janitschar
durch die Warmhaltefolie
vom Biwakzelt bis durch in deine Wade
und du kannst vielleicht nicht mehr gut gehen
und hinkst beim Tanz im Heidehof
wenn dein Sohn ein Solo geigt
auf die Schnelle
in der Feuerwehr-Kapelle.
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Und?

Nix.

Keine Zeit, wie?

Verständlich, immerhin drucken Sie mehr Führerbilder als der VB im Spätherbst 44.

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Stunk ist mein Gemüse.
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Ja ja ich geb's zu, bin ein kleins Depperl und blas mich halt a bisserl auf.
Und mein supidupi Gedichtchen oben hab ich auch falsch abgelegt. Weil registrieren mag ich mich nicht. Bin wohl zu doof dafür. Aber Goschn aufreissen geht scho. Bin ein armes Würsterl.
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Signatur: Hundert Kilo Bock auf Gemüse ist in meim Gebläse
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Goschen, Sie Hilskujau. Sonst verdreh ich Ehna IHR Gebläse, dann könnens mit Ihrem Rektum im Andromeda so Bläschen machen.


Humidor: Nur Falsches ist gefälscht
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Freili, hoid jetzts Goschn, du Oaschgebruidn! I bin der richt'ge Tausendfoaß und ned so a Koaschperl wie eana, du maroder 'Hilskabeljau', depperter. I bin des richt'ge oame Würsterl, i bin deees! A Depperl bin i a! Maria, hilf!

Humidor: Nur Falsches ist gefälscht
Tausendfuß

Re: Ausflüge in die Umgebung

Beitrag von Tausendfuß »

Mit dem Deppen hamms zweifelsohne recht.

Und zählens in Zukunft ihre Stinkfüß, bevor Sie zum Dorftanz hunken, Sie Rindviech, bläkertes.

Und jetzt: Scheuch!

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Nur original ist unverfälscht
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